SWR1 3vor8

SWR1 3vor8

Zu Johannes 3,1-5 und Johannes 3, 16,21
Pfinstmontag

Ich hab gemeint, ich sitz im falschen Film. Ein Pfarrer predigt von seiner Kanzel auf mich herunter. Diese extreme kommunikative Schieflage passt auch zu seiner schrägen Theologie. Er vergleicht das Leben mit der „Titanic": Das Schiff geht unter, sprich: das Leben geht zu Ende. Die Menschen, die glauben, kommen ins Rettungsboot, und die, die nicht glauben, gehen unter, sind zum Tode verdammt. Ich hab gemeint, ich hör nicht recht. Ich hab gemeint die Zeit dieser Artvon Drohbotschaften sei vorbei. Und dann schlage ich die Bibel auf und sehe, dass heute in den Katholischen Gottesdiensten dasselbe zu hören ist. Zwar hoffentlich nicht in den Predigten, aber in den Lesungen und im Evangelium: „Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden", heißt es im Buch Joel oder „Wer an den Sohn Gottes glaubt, der wird nicht gerichtet", im Johannes-Evangelium. Gott als Richter also und Jesus als Retter. Entspricht das dem Kern der christlichen Religion? Ich glaube nicht. Ja ich bin fest davon überzeugt, dass es dem Kern der christlichen Religion geradezu widerspricht. Allein schon das Gleichnis Jesu vom verlorenen Sohn zeigt wie der Gott Jesu Christi zu denken ist. Der barmherzige Vater schließt seinen Sohn nachdem dieser ihn verlassen und viel Mist gebaut hat in die Arme. Ein Gegenbild zum Richter- und Strafe-Gott.

Es ist ein chronisches Problem nicht nur meiner Religion, dass Worte, die in gutem Glauben und mit heißem Herzen vor Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden geschrieben wurden, immer wieder eins zu eins übernommen werden, dass sie nicht im Kontext gesehen werden.

Wie in der Zeit, in der das Johannes-Evangelium entstanden ist. Da dachte man anders als heute, da glaubte man anders als heute. Und deshalb kann das, was Menschen damals gedacht und geglaubt haben, nicht alles wortwörtlich übernommen werden.

Natürlich frage ich mich auch heute, was mit Menschen nach ihrem Tod geschieht. Ob ihre neue Existenz dadurch anders ist, dass sie in diesem Leben geglaubt haben. Schau ich auf das, was Jesus gesagt hat und wie er gelebt hat, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass Gott eitel danach fragt, ob man denn an ihn geglaubt hat. Ich denke, er ist jenseits dieser menschlich allzu menschlichen Kategorien. Ich kann mir eher vorstellen, dass mein Leben im Angesicht seiner unermesslichen Liebe gespiegelt wird. Dass ich dann erkenne, wie nah oder wie fern ich ihm in meinem Leben gewesen bin. Und dass das etwas mit mir macht, dass es mich zu ihm hinzieht. Und dass er mich in seine liebenden Arme nimmt - egal was und wie viel ich geglaubt habe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15324
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