Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Im Mai und im Juni wird mehr geheiratet als sonst im Jahr. Ist ja auch klar: Da ist das Wetter gut und alles blüht. Da feiert man gerne. Neulich hat mir ein Brautpaar erzählt, dass sie schon eineinhalb Jahre vor ihrem Wunschtermin im Mai nur noch mit Mühe ein Lokal gefunden haben.
Da habe ich mich gewundert. Ich dachte eigentlich, Heiraten sei irgendwie aus der Mode gekommen und es würden viel weniger Paare als früher heiraten. Warum tun sie es immer noch? Wir heiraten jetzt, nach 8 Jahren Fernbeziehung, hat mir eine junge Frau erzählt. Dabei hatten sie doch alles: Jeder einen attraktiven Beruf, jeder einen attraktiven Wohnort und Freundeskreis, den er nicht aufgeben wollte. Und immer wieder schöne Wochenenden und Urlaube miteinander. Ich hatte gedacht, so stellen sich junge Leute ihr Leben vor. Aber offensichtlich nicht alle. „Trotz meines tollen Freundeskreises habe ich mich manchmal ganz schön allein gefühlt", hat mir die junge Frau gesagt. „Und was nützt mir mein schönes Hamburg, wenn der Carsten nicht da ist."
Ich brauche jemanden, der mein Leben zum Strahlen bringt und zum Klingen. So habe ich sie verstanden. Jemanden, der meine Freude verstärkt und meine Sorgen mit mir teilt. Das kann man nicht allein. Dazu braucht man einen anderen.
Ich glaube, genauso hat Gott sich das Leben gedacht. Als er den Menschen geschaffen hat, erzählt die Bibel, habe er gesagt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht." (1. Mose 2, 18 )
Ich habe lange nicht richtig verstanden, was „Hilfe" heißen soll. Jetzt habe ich eine Erklärung gefunden: Resonanz. Resonanz ist es, was mir der Partner gibt. So wie bei einem Musikinstrument. Die Saite einer Geige braucht den Resonanzkörper, damit sie klingt. Und ich brauche jemanden, damit mein Leben klingt. Damit es nicht ins Leere läuft und alles stumm bleibt. Damit ich Freude am Leben habe, weil jemand wahrnimmt und verstärkt, was ich aussende. Weil jemand dem, was ich sage und tue Kraft gibt, damit es klingen kann und wahrgenommen wird.
Ob das nicht auch Freunde können, meinem Leben Resonanz geben? Ja sicher, die können das auch. Aber Freunde treffe ich doch immer nur gelegentlich. Mit dem Lebenspartner dagegen kann ich frühstücken. Vielleicht lächelt er mich an. Nimmt mich wahr. Sagt was Nettes. Das ist manchmal schon genug Resonanz - das reicht bis zum Abendessen. Ich glaube: Mit Resonanz lebt sich's besser. Ich verstehe, dass Menschen deswegen heiraten - nicht bloß die jungen und nicht bloß im Mai.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15304
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