Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Sie sind umsonst. Sie wollen gejagt werden. Und sie versprechen ein paar spannende Stunden. Es geht um Bücher. Ausgesetzte Bücher, um genau zu sein. Bücher freilassen: Das ist ein neuer Sport, der ganz rasant um sich greift. In Baden-Württemberg sind derzeit fast 500 Bücher in freier Wildbahn zu finden.
Die Idee: Menschen befreien Bücher aus ihren staubigen Regalen oder Bücherkis-ten, lassen sie an öffentlichen Orten liegen, setzen sie aus. Und im Internet ver-merken die ehemaligen Buchbesitzer, wo sich das gute Stück finden lässt. Kleine Gags inklusive. So setzte eine Frau die Biographie von Mahatma Gandhi im Eine-Welt-Laden in Reutlingen aus. Ihr Vermerk im Internet: „Buch liegt bei den bestick-ten Handtüchern aus Indien.“ Und in Calw findet sich im Hermann-Hesse-Museum – na was wohl? Das Hermann-Hesse-Buch „Schön ist die Jugend“.
Eine tolle Idee: Bücher bekommen Beine. In Amerika ist daraus eine neue Litera-turszene entstanden. Menschen lesen wieder oder mehr, tauschen sich über Bücher aus, kaufen sie sogar.
Ich finde die Idee klasse. Auch, weil Bücher das zentrale Medium der so genannten Buchreligionen sind. Christen, Juden und Muslime verbindet nämlich eins: Dass sie sich auf ein Buch beziehen – auf die Bibel, die Thora, den Koran. Lesen-Lernen und Lesen-Können sind deshalb zwei wichtige religiöse Fähigkeiten. Nur wer Lesen kann, der kann sich selbst mit seinem Glauben auseinandersetzen. Muss nicht das glauben, was andere ihm vorgeben. Wer nicht lesen kann, das lehrt die Kirchenge-schichte eindrücklich, ist abhängig. Und Abhängigkeit schafft Ungleichheit.
Die neue Freiheit der Bücher tut deshalb allen gut: Den Büchern, die gelesen wer-den, und den Lesern, denen sich neue Wortwelten auftun. Und vielleicht sogar dem Glauben – weil auch der unter anderem vom Lesen kommt.
Thomas Weißer, Tübingen, Katholische Kirche

Mehr Informationen unter: http://www.bookcrossers.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1529
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