Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Der Spruch hat mich gleich gepackt: „Lasst den Flügeln Wurzeln wachsen und die Wurzeln fliegen!" Er ist vom spanischen Schriftstellen Juan Ramón Jiménez. „Lasst den Flügeln Wurzeln wachsen und die Wurzeln fliegen" - das klingt schön widersprüchlich. Den Flügeln Wurzeln wachsen lassen - das könnte heißen, das, was mich abheben lässt erden. Alte Wünsche Wirklichkeit werden lassen, hochfliegende Träume ins Leben einsenken. Die große Reise nicht auf die Rente verschieben, sondern vorher machen, dieses Jahr oder nächstes. Den Menschen, der mir nicht aus dem Sinn geht, endlich ansprechen und sich ganz behutsam eine Beziehung entwickeln lassen - wenn es geht. Oder endlich mit dem Malen, dem Schreiben oder Fotografieren anfangen. Egal wie gut ich darin bin. Hauptsache es tut mir gut. Ich denke es ist nichts Starres, nichts  Fixierendes, wenn Flügel Wurzeln bekommen.Eher ein gleichzeitig federleichtes und sicheres Gefühl. Wie auch, wenn Wurzeln fliegen lernen. Auch ein wunderschönes, ein traumhaftes Bild. Das muss man sich mal vorstellen! Wurzeln mit Flügeln! Wenn fest Verankertes sich loslöst, sich loslösen kann. Wenn Menschen treu sind und gleichzeitig frei. Sich frei fühlen können. Wenn ich hier richtig zu Hause bin und trotzdem immer wieder gern weggehe, weggehen kann.
Wenn ich am Leben hänge und trotzdem jeden Tag gehen könnte. Dann haben meine Wurzeln Flügel und meine Flügel Wurzeln.
Und was hat das alles mit dem Glauben zu tun? Der Spruch des spanischen Nobelpreisträgers ist für mich der Inbegriff von Religion. Ja ein schönes Bild dafür. Willens und fähig sein das ganz Andere zu leben. Scheinbar Widersprüchliches zu vereinen und dabei frei zu sein - oder zu werden.               

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15274
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