Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Dass irgendjemand heute den Überblick über alles hat, das kann wohl nicht sein.
Und trotzdem muss ich gestehen: Ich tue ja manchmal so als hätte ich den Überblick. Vielleicht macht man das so als Mann. Ich jedenfalls schlage die Zeitung auf mit dem Gefühl: „Ich verschaffe mir einen Überblick". Oder ich sage: „Ich möchte gerne den Überblick behalten." Aber eigentlich ist klar: Ich kann immer nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit sehen. Und oft verstehe ich nicht einmal den!
Dabei möchte ich so gern verstehen, was los ist! Und etwas verbessern.
Aber oft geht das nicht so einfach. Erst kürzlich habe ich etwas darüber gelesen, unter welchen Bedingungen in Bürgerkriegsgebieten in der Dritten Welt die Mineralien für unsere Handys abgebaut werden. Ich habe mich geärgert über die Ungerechtigkeit: Kinder werden in Bergwerken zur Arbeit gezwungen, um zum Beispiel im Kongo seltene Mineralien zu fördern. Wenn ein Kind aufhören will, muss es fürchten, getötet zu werden - für mein Handy!
So etwas macht mich fürchterlich unruhig und einmal mehr frage ich: „Was kann man denn da machen? Da muss man doch was tun!"
Aber in Wirklichkeit habe ich den Überblick gar nicht. Da nicht und an vielen anderen Stellen auch nicht. Ich kann's nicht richten. Manchmal leide ich sehr darunter. Es ist die Ohnmacht, die mich manches Mal so fertig macht.
Aber nicht heute! Denn heute ist Himmelfahrtstag und das heißt: Entlastungstag für alle, die nicht wissen, was sie tun können. Entlastungstag für alle, die gerne den Überblick hätten. Entlastungstag für alle, die's gerne richten würden und sich oft so ohnmächtig fühlen!
Der Himmelfahrtstag erinnert daran: Jesus ist - wie das Glaubensbekenntnis es sagt - „aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters".
Und ich glaube deshalb: Von diesem Platz aus hat er den Überblick. Das entlastet mich. Ich kann in dem Ausschnitt der Wirklichkeit, den ich sehe, versuchen, das Richtige zu tun. Aber den Überblick über alles, den hat er. Deshalb ist er „aufgefahren in den Himmel".
Und er wird's auch richten. So verstehe ich das nämlich, wenn es im Glaubensbekenntnis weiter heißt: „Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten." Er wird's richten. Ich muss nicht jede Ungerechtigkeit in Ordnung bringen. Ich kann mich ruhig beschränken auf das, was mir möglich ist. Und das andere dem überlassen, der den Überblick hat.
Heute ist Himmelfahrt. Ein Entlastungstag für alle, die etwas tun möchten. Jesus Christus hat den Überblick, er wird's auch richten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15204
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