SWR1 Begegnungen

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Kein Glaube, aber großes Interesse an Gott

Religion und Humor

Bernhard Hoëcker ist Schauspieler, Buchautor und Comedian. Bekannt durch seine witzigen Parodien in der Sendung „Switch", oder seine oft brillianten Gedankengänge aus der Ratesendung „Genial Daneben". Schon seit seiner Jugend macht er Kabarett. Was die wenigsten wissen: Er war mal Messdiener und sehr engagiert in der kirchlichen Jugendarbeit:

Also ich verbinde mit der Katholischen Kirche vor allen Dingen positive Erinnerungen, auch jetzt noch, wenn ich irgendwo bin und geh in ne Katholische Kirche - ich sag immer, ich weiß wie die Jungs, die da an der Wand hängen mit Vornamen heißen, ja man kennt sich damit aus.

Bernhard Hoëcker war gläubiger Katholik, hat sich aber vom Glauben gelöst. Trotzdem ist Religion auch ein Thema in seinen Kabarettprogrammen und er geht gern in den Gottesdienst zur Osternacht.

Nicht einfach, mit Bernhard Hoëcker einen Termin zu finden. Filmaufnahmen stehen demnächst an, da ist der Kalender voll. Als wir doch noch einen gemeinsamen Termin finden, beim SWR3 Comedy Campus in Mainz, da wirkt der 43 jährige Familienvater ganz entspannt und unkompliziert - keine Promi-Allüren. Bekannt geworden ist er durch seine Parodien in der Fernsehsendung Switch. Kabarett macht er schon seit seiner Jugend. Weil er gerne Sachen hinterfragt und querdenkt. Sein kritischer Geist macht auch vor Religion nicht Halt:

Kabarett oder Comedy ist genau dafür da, genau Dinge mal kritisch zu sehen, die man eben nicht kritisch sehen soll. Und wenn ich eine Diktatur im Kabarett kritisieren kann, oder eine falsche Politik, dann kann ich natürlich auch eine religiöse Ideologie  kann ich die natürlich kritisieren. In meinem Programm rede ich über Kreationisten, Evangelikale, also quasi christliche Extremisten, da mach ich mich auch lustig über die, also um zu zeigen, es gibt einfach Dinge, an die darf man sich als intelligenter Mensch halten, auch wenn man glaubt.

Alle Ideolgien, die den gesunden Menschenverstand ausblenden, sind Bernhard Hoëcker suspekt. Homöopathie zum Beispiel oder Kreationismus. Wenn man die Bibel wortwörtlich versteht, anstatt die Ergebnisse der Naturwissenschaft anzuerkennen. Hoëcker schafft es, das Absurde in diesen Weltanschauungen zu zeigen. Auch die Katholische Kirche und ihre Regeln hat er schon in seiner Jugend nicht all zu ernst genommen:

Und wir haben die Sachen damals alle sehr mit Humor genommen, weil wir immer der Meinung waren, dass man die Amtskirche nicht ernst nehmen kann. Das sind halt alte Männer die komische Sachen sagen.

Aber Bernhard Hoëcker will keine einseitigen Klischees bedienen, nicht platt über die Kirche herziehen. Daran erinnere ich mich gut: In der Phase, als der Mißbrauchsskandal hochkochte, betrat er die Bühne und schwärmte über seine Zeit als Messdiener und Gruppenleiter in der Katholischen Kirche. Deshalb dachte ich: Ist bestimmt spannend, sich mit ihm über sein Verhältnis zur Religion zu unterhalten. Er spricht sehr wohlwollend über seine Zeit in der Pfarrgemeinde im Rheinland:

Ich hab meine ganze Kindheit da verbracht, also katholische Familie von beiden Seiten, dann war ich Meßdiener, zur Kommunion gegangen, Pfarrjugendleiter, Firmung, das volle Programm bis ich 18 war hab ich da meine ganze Jugend verbracht, deshalb könnt ich ja gar nicht erzählen, dass das total schlimm war.

Die Kirche ist ihm vertraut. Wenn er verreist, geht er zum Beispiel gerne in Kirchen und besucht Gottesdienste. Er überrascht mich, denn er kennt viele Bischöfe und hat die Papstrede gelesen. Er hat sogar überlegt, Theologie studieren. Weil ihn die Beschäftigung mit Glauben fasziniert. Aber er selbst glaubt nicht mehr. Glaube gehört in die Kindheit und Wissen gehört zum Erwachsenenleben. Warum übt die Religion trotzdem noch so große Faszination aus?

Ich beschreibe die Kirche immer wie ein Bild, was bei meinen Eltern über dem Sofa hängt: jeder kennt ein Bild in der Wohnung seiner Eltern, das darf da niemals weg, das gehört in diese Wohnung rein, aber wenn man die Frage gestellt wird: möchtest du das zu dir nehmen, würde man sagen - ich bin nicht bescheuert. So seh ich das.

Ohne Glaube leben

Mit einem Atheist über Glauben zu reden, kann dabei etwas rauskommen? Weil zwei vollkommen fremde Welten aufeinander prallen? Einer, der beide Welten kennt, ist der Comedian und Buchautor Bernhard Hoëcker. Er war lange Zeit gläubiger Katholik, hat sich in der Kirche engagiert. Aber mit der Zeit hat er festgestellt, dass er nicht glaubt. Er selbst nennt sich ein Skeptiker. Glaubt nur an das, was beweisbar ist. Glaube hat für ihn seinen Sinn in der Evolution:

Da warn einfach Menschen früher und da haben ein paar davon festgestellt, aus irgendwelchen hirnorganischen Gründen, dass es sie total glücklich macht, wenn sie anderen helfen, wenn sie nicht sich gegenseitig töten, und das war einfach stabil. Und bestimmte Dinge haben sich einfach als stabil herausgestellt, unter anderem die Fähigkeit zu glauben. Das Gehirn hat sich so entwickelt, das hat nicht nur Angst und Schmerz und Liebe, sondern hat auch Glaube als Nebenwirkung entwickelt, einfach weil es mir hilft, in bestimmten Situationen klar zu kommen, das ist ein Zustand, der uns evolutionär Vorteile verschafft hat.  

Glaube ist für Bernhard Hoëcker nicht einfach Humbug, sondern war eine notwendige Phase in der Menschheitsentwicklung. Brauchen wir nicht mehr, sagt der comedian. Ich frage ihn: Ein Leben ohne die christliche Hoffnung, ohne die Perspektive auf ein Leben nach dem Tod, wie sieht das aus?

Also ich habe keine Angst vor dem Tod, ich habe keine Angst vor dem Jetzt, ich zweifel auch nicht an dem Sinn des Lebens, ich hab natürlich Konzepte für mein Leben, einmal ist das Freiheit, Gleichheit, die Menschenrechte, also das, was alle Menschen auf dieser Erde losgelöst von irgendwelchen Glaubensentwicklungen völlig selbstständig entwickelt haben und einen Konsens gefunden haben.

Spannende Frage - Kann man die Entwicklung der Menschenrechte von der christlichen Religion trennen? Für mich jedenfalls bedeutet die christliche Botschaft ein Höchstmaß an Freiheit und Gleichheit. Bernhard Hoecker will für sich nicht ausschliessen, dass er irgendwann wieder zum Glauben findet. Wenn sein Gehirn ihm einen Streich spielt:

 Was natürlich sein kann, is - ich komm in ne Extremsituation, ich nähere mich dem Tod, dass man dann auch wieder auf diese Strategien zurückgreift, die mein Gehirn ja auch mitentwickelt hat, als Mensch, Gott taucht immer auf, wenn die Leute Probleme haben, oder wenn sie etwas nicht erklären können.

Hat er damit recht? Ich frage mich ganz selbstkritisch, wie ich meinen Glauben lebe. Ist Gott für mich ein Trostpflaster? Brauche ich Gott nur, um mit Problemen zurecht zu kommen? Natürlich hoffe ich darauf, dass Gott in dunklen Stunden bei mir ist, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Aber ich glaube auch, dass Gott ein wahrer Luxus ist. Ich bin frei von Zwängen, von Neid, von Leistungsdruck, weil ich von Gott angenommen bin. Aber das Gespräch mit Bernhard Hoëcker, seine kritischen Anfragen an meinen Glauben, waren für mich eine Bereicherung. Zweifel und Kritik sind gut; sie helfen, den Glauben immer wieder neu zu postionieren. Und ich spüre, dass die christliche Spiritualität, besonders in der Osternacht, eine starke Kraft ist, auch für den Atheisten Bernhard Hoëcker:

.super, das ist total schön, der Moment, wo das Feuer in die Kirche getragen wird und überall die Lichter angehen, das ist einfach schön.

 

 

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15203
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