Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Sie kennen das sicher auch: Solange ein Thema abstrakt verhandelt wird, bleibt es fern und kühl. Sobald es aber ein Gesicht bekommt, weil man mit Betroffenen gesprochen hat, kommt es nah und hinterlässt tiefe Spuren.
So ging es mir auf einer internationalen christlichen Tagung. Christen aus allen Erdteilen waren zusammen gekommen, die weltweite Gemeinschaft zu erleben und zu feiern. Thematisch ging es aber auch darum, sich den Herausforderungen einer globalisierten Welt zu stellen.
Es war eine Frau mittleren Alters aus Chile, mit der ich ins Gespräch kam. Ihr Land sei hoch verschuldet gewesen, so sagte sie. Neue notwendige Kredite wurden nur zu bestimmten Bedingungen gewährt. Die Privatisierung des Wassers war eine der geforderten Maßnahmen.
„Es gibt einen großen Fluss bei uns. Aus dem durften wir bisher alle unser Wasser beziehen. Und es gab reichlich, für alle. – Jetzt aber müssen wir zahlen. Denn unser Wasser gehört nicht mehr uns.
Und sie ergänzte: „Die Wasserrechte wurden von einer englischen Firma erworben. Diese ist inzwischen von einem deutschen Unternehmen übernommen worden.“ Und so schloss sie mit den Worten: „Unser Wasser gehört Euch!“
Sie sagte es nicht vorwurfsvoll. Doch sie war sich der Wirkung ihrer Worte wohl bewusst. Denn ich stand vor ihr, fassungslos und unschlüssig, ob ich mich dafür in irgendeiner Weise schämen oder schuldig fühlen sollte.
Mit entsprechendem zeitlichen Abstand ist mir klar geworden, dass es nicht um die Frage von Scham und Schuld geht. Sondern vielmehr darum, diesen Zusammenhang zu begreifen und nicht zu übersehen. Wir leben in einer Welt. Und diese ist uns gemeinsam geschenkt und anvertraut. Es kann nicht angehen, dass nur ein Teil der Menschheit von der Globalisierung profitiert.
So bin ich froh über das große Engagement vieler Christen, wie es sich gerade wieder in den Diskussionen des Evangelischen Kirchentages gezeigt hat. Leidenschaftlich, offen, kritisch und hörbereit wurde debattiert.
Und auch darüber freue ich mich, wenn wir uns als Christen nicht einschüchtern lassen, wenn es wieder einmal heißt: „Aber die Vorteile der Globalisierung wollt ihr ja auch!“ – Es ist richtig: an der Globalisierung kommt niemand vorbei. Aber nicht als abstraktes Thema. Das verkommt schnell zur Fratze. Globalisierung bitte mit menschlichem Gesicht! Dafür will ich mich einsetzen!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1520
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