Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Er hat sein Haus baubiologisch nach neuestem Stand saniert. Er hat es mit Biofarbe gestrichen, ausschließlich mit Naturstoffen isoliert und er produziert seinen eignen Strom mit Solarzellen auf dem Dach. Zum Bäcker, der nur wenige hundert Meter von seinem Haus entfernt ist, fährt er mit dem Auto. Ganz ehrlich, im ersten Moment war ich empört und habe ihn abgewertet den ökologisch ach so bewussten Mann. Wie kann so jemand das Auto nehmen wenn er in 3 Minuten zu Fuß dort ist wo er hin will? Aber weil ich mir angewöhnt habe nicht einfach nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, habe ich mich schnell an all das erinnert, wo ich selbst inkonsequent bin. Davon gibt's genug. Wie oft ertappe ich mich zum Beispiel dabei, dass ich den Mund halte obwohl ich mir vorgenommen habe, offen zu sagen, was ich denke auch wenn das für mein Gegenüber vielleicht unangenehm ist.

In der Bibel geht es an vielen Stellen um diese  Widersprüchlichkeit. „An ihren Taten werdet ihr sie erkennen" ist einer der Sätze, der kurz und knapp auf den Punkt bringt, auf was es ankommt. 

Von etwas überzeugt zu sein, davon zu reden und sich so verhalten zu wollen ist oft viel einfacher als es dann auch zu tun. Obwohl wir genau wissen, dass uns erst glaubwürdig macht wenn wir selbst tun, was wir für richtig halten. Es ist menschlich, dass das oft nicht gelingt. Es würde mich nicht wundern, wenn sich der ökologisch bewusste Mann über sich selbst ärgert, weil er mit dem Auto zum Bäcker fährt. Ich kenne das gut.

„Lebe das vom Evangelium, was du verstanden hast" hat vor vielen Jahren ein Pfarrer gepredigt. Das heißt für mich: Sei glaubwürdig in dem was dir wirklich wichtig ist. Setze dich aufrichtig für das ein, wofür dein Herz schlägt.

Mit dem Älter werden bin ich gnädiger mit mir selbst geworden. Ich schaffe es nicht, mich bei allem richtig zu verhalten, was ich für richtig halte. Aber ich schaffe es auch nicht, mich einfach nur damit abzufinden wenn ich mich widersprüchlich erlebe. Also suche ich immer wieder das Gleichgewicht. Gnädig zu sein mit mir und den menschlichen Inkonsequenzen. Diese mir aber auch immer wieder klar zu machen. Zu entscheiden, mit welchen ich mich nicht abfinden will. Und glaubwürdig  zu sein so gut ich es kann. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15169
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