Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich brauche eine Handtuchstange fürs Badetuch neben der Dusche und fahre in das Möbelhaus in meiner Nähe. Bis ich in die Abteilung für Badzubehör komme bin ich gefühlt mindestens 10 min unterwegs. Ich muss durch die Abteilung für Lampen und Teppiche, vorbei an hunderten Rollen Geschenkpapier, Türmen von Gläsern, Töpfen, Kuchenbackformen und und und.  In der Abteilung für Badzubehör habe ich schließlich die Auswahl zwischen 15 verschiedenen Badetuchhaltern zum Preis zwischen 12,90 und 229 Euro. Ich schüttle innerlich den Kopf, 229 Euro für einen Badetuchhalter. Um mich zu entscheiden brauche ich ein halbe Stunde. Ganz ehrlich, mich erdrückt diese Fülle. Auf diesen tausenden von Quadratmetern mit Möbeln und Wohnaccessoires frage ich mich plötzlich wer das alles kauft und braucht. Und ich fühle mich zunehmend einsam. Wie es anderen Menschen geht, die da unterwegs sind? Am liebsten würde ich fragen. 

Auf dem Rückweg im Auto fällt mir meine Großmutter ein. Von ihr habe ich das Silberbesteck, das ich zu besonderen Anlässen benutze. Als Kind habe ich dieses Silberbesteck nicht gemocht. Meine Großmutter hat es mir regelmäßig zum Geburtstag und zu Weihnachten geschenkt. Immer in für sie bezahlbaren Portionen: 2 Messer, 6 Kaffeelöffel, ein großer Schöpflöffel ... solange bis ich das Besteck samt Vorlegebesteck 12 mal beieinander hatte. Damals hab ich nicht verstanden warum sie das macht. Als Kind wäre mir was zum spielen lieber gewesen. Meine Großmutter ist nach dem 2. Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben worden und hat alles zurück lassen müssen, was ihr gehört hat. Das Silberbesteck von ihr erzählt mir, dass die Dinge, die wir tagtäglich benutzen, wertvoll sind. Meine Kaffeemaschine, der Kühlschrank, mein Bett, ein einfacher Handtuchhalter. Bewusst ist mir das auch nicht jeden Tag. Dazu nutze ich die Dinge zu selbstverständlich. Aber manchmal, wenn mir wieder mal klar wird, wie wertvoll das ist, so wie nach meinem Besuch im Möbelhaus, bin ich dankbar. Die meisten Menschen in unserem Land leben bevorzugt und können auswählen, wie sie wohnen, was sie essen und anziehen. Die Fülle, die uns zur Verfügung steht ist beeindruckend.  Mich fordert sie inzwischen dazu auf herauszufinden, was ich wirklich brauche.

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