SWR1 3vor8

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Jeremia, ein Prophetenschicksal – Jeremia 15,10-18
(Geburt des heiligen Johannes des Täufers / Lesejahr C)

„Wie ein versiegender Bach bist du mir geworden, du unzuverlässiges Wasser!“ (Übersetzung: Norbert Lohfink) Wer sagt so was Vorwurfsvolles? Und zu wem sagt jemand so etwas? –Mit diesen Worten klagt der Prophet Jeremia seinen Gott an. Er schreibt das in seinem Buch im Alten Testament der Bibel. Jeremia hat Gott aus ganzem Herzen gedient. Jedes Wort, das er von Gott vernommen hat, hat er geradezu verschlungen. Es ist für ihn das größte Glück gewesen, an Gott zu denken, über ihn zu reden, mit ihm verbunden zu sein. Und jetzt – so klagt er – liegt er mit der ganzen Welt im Streit. Die Leute fluchen ihm und wollen ihn töten. Wut und Trauer nagen an ihm wie eine bösartige Wunde. Und so fühlt er sich: einsam und verlassen, von den Menschen und sogar von Gott verlassen. – Wie kann einem Gottesmann wie Jeremia das passieren? Ich glaube, man muss sich vor Augen führen, was ein Prophet ist. Nach dem Verständnis der Bibel ist ein Prophet kein Hellseher und kein Wahrsager. Ein Prophet vermittelt zwischen Gott und den Menschen, er spricht im Namen Gottes. Ein Prophet ist ein scharfsinniger Zeitgenosse. Er ahnt, was menschliches Tun für Folgen haben kann, und er bringt das öffentlich zur Sprache, ob es den Leuten passt oder nicht. So prophezeit Jeremia seinem Land den Untergang, den es wegen seines menschenwidrigen und gottlosen Verhaltens selbst verschuldet hat. So eine Botschaft bringt Ärger und macht Feinde. Jeremia wird seinen Landsleuten zur Last. Sein Beruf wird ihm schließlich zur Last. Und das für ihn schlimmste: Gott kommt ihm abhanden, geht ihm verloren! „Wie ein versiegender Bach bist du mir geworden, du unzuverlässiges Wasser!“ Mir geht dieses Prophetenschicksal unter die Haut. Wie einsam und verlassen er sein muss, und wie verzweifelt. Mir zeigt es aber auch das: Ich muss nicht nur behutsam mit Gott umgehen, als wenn er sonst beleidigt wäre. In der religiösen Erziehung hat man das einem lange genug beigebracht: Ja nicht mit Gott hadern und nicht über den Glauben grübeln.
Nein, ich darf mit Gott umgehen, wie mir’s ums Herz ist. Ich bin dankbar und habe Vertrauen, ich darf aber auch zweifeln. Ich kann schweigen, aber auch schreien und klagen. Ich muss nicht ein für alle mal sicher und fertig sein in meinem Glauben. Der kann durchaus – wie mein Leben auch – eine wechselvolle Geschichte haben. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1513
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