SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich stehe mitten in einem Koblenzer Einkaufszentrum und erzähle von meiner Gemeinde und meinem Glauben. Das ist für mich eine neue Erfahrung. In der Kirche und in unseren Gemeinderäumen fällt es mir leicht über meinen Glauben zu sprechen. Da ist das üblich. Da wird es von mir als Pfarrer auch zu recht erwartet. Aber in dieser geschäftigen Öffentlichkeit ist es anders. Ich bin verunsichert. Da gehen Menschen umher, rennen teilweise. Sie denken an ihre Besorgungen, an ihre nächsten Termine. Störungen sind nicht eingeplant. Keine Zeit. Da sind andere, die haben Zeit, lassen sich gerne stören. Sie kommen näher, können zuhören, stellen Fragen, sprechen miteinander. Der Anlass für meine Gespräche im Einkaufszentrum ist die Nacht der offenen Kirchen. Jedes Jahr führen wir sie in Koblenz durch, alle Kirchen gemeinsam, ganz ökumenisch. Die Kirchen auf einer Aktionsbühne zwischen den Geschäften mitten im Einkaufszentrum. Eine Überraschung für viele: Die Kirchen sind da, wo die Menschen sind. Wo die Menschen einkaufen und verkaufen. Sicher, der Glaube lässt sich nicht verkaufen. Aber ich gebe meinem Glauben ein Gesicht, mein Gesicht, wenn ich von meiner Kirche und meinen Erfahrungen mit dieser Kirche erzähle. Einladend. Ich spüre die Offenheit und das Wohlwollen der Menschen, die dort sind. Die sich die Zeit nehmen, diese Einladung anzuhören. „Das ist toll, hier einmal die Kirchen in ihrer Vielfalt zu erleben", sagt mir eine ältere Dame. Und sie fährt fort: „Mitten im Einkaufsgeschehen werde ich unterbrochen. Mit etwas konfrontiert, mit dem ich nicht gerechnet habe. Aber das tut gut, dass die Kirchen mitten im Leben sind." Meine anfängliche Verunsicherung verwandelt sich. Ich bin dankbar, hier sprechen zu können. Menschen ansprechen zu dürfen, von Menschen angesprochen zu werden, einladen zu können, zu mir in die Kirche, zu dem, was mir wichtig ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15126
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