Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie stellen Sie sich Gott vor? Mal abgesehen von allen religiösen Bildern, die Sie kennen. Wenn sie selbst einen erfinden dürften: Wie würde Gott dann aussehen? Meiner wahrscheinlich wie der mächtige, muskulöse, weißhaarige Mann, den Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle gemalt hat. Oder vielleicht wie die Professorin Minerva McGonagall aus Harry Potter: streng aber gütig und immer schützt sie die Guten und bringt alles zu einem guten Ende. So hätte ich ihn gern, den lieben Gott.
Die Woche vor Ostern allerdings, in der wir Christen uns an das Leiden und Sterben Jesu erinnern, diese Karwoche erinnert mich auch: Unser Gott ist ganz anders. Unser Gott ist wie dieser Jesus, den sie damals verhaftet, gefoltert und hingerichtet haben. An ihm kann man erkennen, wie Gott ist. Wie Jesus gelebt hat, wie er geredet und gehandelt hat - daran kann man sehen, wie Gottes Liebe ist. Jesus war für die Chancenlosen da, für Menschen, die sich sagen mussten: Ich bin ein Versager, anscheinend habe ich es nicht besser verdient. Denen hat Jesus gezeigt: Doch, du verdienst es besser. Auf deiner Seite steht Gott. Wie es dir geht, das ist vielleicht von Menschen gemacht. Aber es soll anders sein. Es kann anders sein. Gott will, dass es anders wird - auch für dich. Denn Gott ist die Liebe.
Aber - auch das sieht man an Jesus: die Liebe ist wehrlos. Auch Gottes Liebe ist wehrlos. Sie setzt darauf, dass Menschen ihr Herz öffnen, nicht darauf, dass sich mit Macht und Gewalt durchsetzt, was gut ist.
Gott ist die Liebe. Und die Liebe hat keine Waffen. Nur sich selbst. Kein Wunder vielleicht, dass die Leute davon nichts wissen wollten, als Jesus vor ihnen stand. „Bist Du denn Gottes Sohn?" (Lk 22, 70) haben sie ihn gefragt. Und als er geantwortet hat: „Ja, das bin ich." Da waren sie entsetzt. Womöglich haben Sie das biologisch verstanden - dann könnte man verstehen, wenn sie ihn für einen Verrückten gehalten hätten. Ich glaube aber, Sie haben ihn ganz richtig verstanden: Wer mich sieht, der sieht Gott. Er hat mich geschickt, damit ihr seht: So, wie ich bin, so ist Gott. So, wie ich liebe, so liebt Gott seine Menschen.
Das wollten die Menschen damals nicht hören. Sie hatten ein anderes Bild von Gott. Ein Mächtiges. Deshalb haben Sie Jesus hinrichten lassen. Sie wollten zeigen, dass es gar nicht sein kann. Dass Gott so nicht sein kann. Einer, der so elend stirbt!
Aber wir Christen glauben: Jesus ist auferstanden. Gottes Liebe war stärker. Das ändert alles, finde ich. Auch meine Vorstellung von Gott.

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