Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Guten Gastgebern fällt es manchmal schwer, selbst Gäste zu sein.
Es macht ihnen Spaß, andere einzuladen, für sie zu kochen und zu backen und einen guten Wein aufzumachen. Aber selbst Gast zu sein, das ist manchen eher unangenehm. Sie wollen anderen keine Mühe machen. Sie möchten sich nichts schenken lassen, was sie nicht wieder ausgleichen können. Aber Gastfreundschaft funktioniert anders:
Als Studentin war ich zu Gast bei einer Familie in Amerika. Angemessen zurückzahlen konnte ich diese Einladung nie. Aber einem anderen jungen Menschen einen Auslandsaufenthalt bei uns zu ermöglichen, für diesen Ausgleich ist es nicht zu spät.
Gastfreundschaft beruht auf Gegenseitigkeit - und zwar ohne Berechnung.  Eins zu eins verrechnen lässt sich die Gastfreundschaft nie. Als Gastgeberin gebe ich das, was ich selbst - irgendwann und irgendwo - vielleicht auch einmal brauche. Dann kann ich als Gast auch das annehmen, was andere mir bieten. Genauso selbstverständlich, wie ich jetzt als Gastgeberin meine Gäste bewirte.
Hätten die ersten Christen ein Problem damit gehabt, Gastfreundschaft anzunehmen,
gäbe es heute vielleicht gar kein Christentum. Das frühe Christentum war eine Wanderbewegung und angewiesen darauf, bei anderen zu Gast zu sein.
Als Wanderprediger zog Jesus in Galiläa von Ort zu Ort. Er hatte keinen festen Ort, kein Haus und kein Geld. Und die Menschen, die mit ihm unterwegs waren, hatten ebenfalls ihre Häuser und ihre Familien verlassen, um mit ihm zu ziehen Sie hatten den Mut, Gäste zu sein. Und es gab Menschen, die sie zu sich nach Hause zum Essen und zum Übernachten eingeladen haben. Anders hätte sich das Christentum vielleicht gar nicht verbreiten können. So zogen die ersten Christen durch das Land, heilten Kranke, vergaben im Auftrag Gottes die Sünden und predigten von der Liebe Gottes.
„Übt Gastfreundschaft und beherbergt gerne" (Röm 12,13) hat der Reisemissionar Paulus darum den ersten Christen in Rom geschrieben. Das gilt bis heute.
Und ich würde gerne noch ergänzen: Und scheut euch nicht davor, die Gastfreundschaft anderer Menschen anzunehmen. Denn irgendwann werdet ihr selbst wieder die Gelegenheit haben, gute Gastgeber zu sein, egal bei wem. So funktioniert Gastfreundschaft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14870
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