Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Eigentlich könnten wir alle genug haben. Genug zum Leben. Nicht bloß hier in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Denn es ist eigentlich genug für alle da. Der Reichtum ist bloß sehr ungleich verteilt.
Bei uns in Deutschland zum Beispiel gibt es 9 Billionen Euro privates Vermögen. Das ist eine 9 mit 12 Nullen dran. Damit ich mir ungefähr vorstellen kann, wie viel das ist, habe ich herausgesucht, dass der Gesamtetat des Bundessozialministeriums 143 Milliarden beträgt. Wenn ich richtig rechne, ist das weniger als ein fünfzigstel. Für das ganze Land! Ich finde das unglaublich, wenn ich daran denke, wie viele wichtige soziale Leistungen gestrichen werden, weil kein Geld da ist. Noch unglaublicher finde ich, dass 6 von diesen 9 Billionen Privatvermögen - also 2/3 - nur einem Zehntel der Bevölkerung gehören.
Aber jedes Mal wenn von dieser Ungleichheit die Rede ist, dann heißt es: Das ist bloß der Neid.
Ich glaube das nicht. Es geht vielmehr um das Wohl aller in unserem Land. Denn Untersuchungen zeigen: Kriminalität und Gewalt, Drogenmissbrauch und Gesundheit, Bildungsstand und Lebenserwartung. das alles verschlechtert sich, je größer die Ungleichheit ist in einem Land. Alle zusammen leben besser, wenn man für einen Ausgleich sorgt zwischen arm und reich.
Und viele Reiche sehen das auch so, glaube ich. Immer öfter liest man von Millionären und Milliardären, die ihren Reichtum für soziale Zwecke stiften oder schlicht sagen: Eigentlich müsste mein Reichtum viel stärker besteuert werden. Wahrscheinlich haben diese reichen Leute ein Gefühl dafür, was genug ist. Sie haben begriffen: erfülltes Leben ist mehr als Besitz und Wohlstand. Gutes Leben in einem Land gibt es nur, wenn es allen gut geht. Und eigentlich gilt das auch für die Welt als ganze.
Jesus hat mal gesagt: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden nimmt" (Lk 9, 25) Ich glaube, damit wollte er genau darauf hinweisen. Menschen, die man lieben kann und von denen man geliebt wird - die machen ein Leben reich. Zeit mit anderen und für andere zum Beispiel - das ist ein großer Reichtum. Und das Gefühl, anderen gut tun zu können: das gibt dem Leben Sinn.
Jetzt im Wahljahr reden die Politiker alle von sozialer Gerechtigkeit. Aber viele trauen sich nicht, zu sagen, dass man auch umverteilen muss, wenn man Gerechtigkeit will. Angeblich können sie das uns, den Wählern, nicht zumuten. Meinen Sie, dass das stimmt? Oder haben die meisten von uns nicht längst begriffen: Gut leben ist mehr als sehr viel haben.

http://www.zeit.de/2013/07/Essay-Bundesregierung-Armuts-und-Reichtumsbericht;
http://www.zeit.de/2010/13/Wohlstand-Interview-Richard-Wilkinson

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14808
weiterlesen...