Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Meine Tochter war auf einer katholischen Mädchenschule. Die freundliche Atmosphäre dort hat ihr gut getan. Aus einem schüchternen kleinen Mädchen ist eine selbstbewusste junge Frau geworden. Sie hat dort Mathe und Bio, Deutsch und Englisch gelernt und sie hat auch christliche Werte kennen gelernt. Die helfen ihr jetzt, abzuwägen und zu entscheiden, was sie tut und vor allem wie sie es tut. Dass sie evangelisch war auf einer katholischen Schule, das war kein Problem. Sie haben dort auch gelernt, das Denken und Glauben anderer zu respektieren und zu achten.
In unserer Gegend gab es keine vergleichbare evangelische Schule. Aber ich denke, über die kann man genau dasselbe sagen.
Die Kirchen setzen mit diesen Schulen und mit den kirchlichen Kindergärten um, was Jesus gefordert hat. „Geht hin in alle Welt und macht das Evangelium bekannt" (Mt 28,28). In alle Welt. Nicht bloß in alle Kirchen und Gemeindehäuser. Alle Menschen sollen kennen lernen, was Jesus gelehrt hat. Damit sie sich entscheiden können, ob ihnen das einleuchtet und sie es für sich übernehmen wollen. Wir Christen glauben, dass das Leben besser wird, wenn man im Sinne Jesu lebt. Deshalb betreibt die Kirche Schulen und Kindergärten.
Aber der Staat finanziert solche Schulen mit den Steuern aller, sagen manche und finden das nicht in Ordnung.
Und es ist wahr. Der Staat erstattet Kosten für Schulen und Kindergärten und auch für den Religionsunterricht an staatlichen Schulen. Damit bezahlt der Staat Leistungen, die er andernfalls selbst erbringen müsste. Die Kindergärten und Schulen werden ja in jedem Fall gebraucht.
Außerdem lebt der Staat, lebt unsere Gesellschaft von Werten, die der Staat nicht selbst hervorbringen kann. Immer wieder wurde das versucht: Im Nazideutschland zum Beispiel oder in der ehemaligen DDR. Da hat der Staat den Kindern in der Schule die Werte der herrschenden Partei vermittelt. In einem demokratischen Land wie unserem ist das anders. Da ist der Staat weltanschaulich neutral. Aber das heißt nicht, dass er alle seine Bürger verpflichtet oder gar erzieht, auch neutral zu denken (wenn es neutral überhaupt gibt). Vielmehr stellt der Staat Räume zur Verfügung, Kindergärten und Schulen, wo Werte vermittelt und gelebt werden. Christliche oder freireligiöse, anthroposophische oder - wo es gebraucht wird - auch muslimische. Was sie dort lernen, das müssen die Menschen dann einbringen, wenn es darum geht, in unserem Land etwas zu entscheiden. Und miteinander muss man sich verständigen, was das Beste, das Vernünftigste und das Menschlichste ist.
Meine Tochter hat das gelernt, glaube ich. Und viele andere junge Leute auch. Gott sei Dank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14807
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