Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Krise ist für Viele beinahe gleichbedeutend mit Katastrophe. Krisen sind nichts Gutes. Niemand freut sich über die Euro-Krise, und auch auf persönliche Krisen kann man gut verzichten.
Dabei heißt das griechische Wort krisis einfach nur Entscheidung. Eine Krise ist wie eine Wegkreuzung beim Wandern. Zuerst bedeutet sie: Der Weg, der hinter mir liegt, ist zu Ende, so wie bisher geht es nicht mehr weiter. Das erleben beispielsweise Menschen, die ein Burnout bekommen. Ihr bisheriger Lebensweg hat sie so erschöpft, dass sie so nicht weitergehen können. Ähnlich ist es, wenn eine Partnerschaft in die Brüche geht. Die Krise zwingt zum stehen bleiben. So wie bisher geht es nicht weiter.
Aber dann muss man sich entscheiden, wie es weitergeht. Welchen neuen Weg wähle ich: Einen ähnlichen wie den alten oder einen ganz anderen? Natürlich gehe ich damit auch das Risiko ein, den falschen Weg zu wählen. Das ist das Gefährliche an der Krise. Aber die Krise bietet eben auch die Chance, dass es besser weitergeht als bisher.
Manchmal kann eine Krise sogar die entscheidende Weichenstellung im Leben eines Menschen sein. Bei dem Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung zum Beispiel war das so. Der hat sich mit seinem großen Vorbild und Freund Sigmund Freud zerstritten. Diese Krise hat ihn dazu gebracht, sich sehr intensiv mit sich selbst und der eigenen Seele zu beschäftigen. Und genau diese Einsichten, die er dabei gewonnen hat, haben C. G. Jung zu einem der berühmtesten und einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts gemacht.
Auch Jesus hat etwas erlebt, dass man, wie ich finde, als Krise bezeichnen kann. In der Bibel heißt es darüber sehr geheimnisvoll, er wurde 40 Tage lang vom Teufel in der Wüste auf die Probe gestellt. Das war sicher nicht angenehm. Aber es war eine wichtige Weichenstellung im Leben von Jesus. Davor war er ein Zimmermann aus Nazareth. Als er aus der Wüste zurückkehrt, heißt es von ihm: „Erfüllt mit der Kraft des Heiligen Geistes kehrte Jesus nach Galiläa zurück. Die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend. Er lehrte (...) und alle sprachen mit höchster Achtung von ihm" (Lukas 4,14f). Nach der Wüstenkrise hat er seine Bestimmung gefunden. Da geht es los.
Krisen sind schwierige Zeiten, aber sie können schon den Anfang für einen ganz neuen Weg in sich tragen. Das macht mir Mut, eigene Krisen anzunehmen und durchzustehen und dabei schon nach dem Neuen Ausschau zu halten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14707
weiterlesen...