Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Neulich habe ich mit meinen Schülern die Vesperkirche in Schwenningen besucht. Eine von 25 Kirchen im Land, die sich im Januar und Februar in große Speisesäle verwandeln, in denen man für einen Euro ein Mittagessen bekommt. Die Schwenninger Vesperkirche besuchen jeden Tag rund 300 Menschen - Leute, die wenig Geld haben, und welche, die die Vesperkirche unterstützen wollen oder ihre Atmosphäre mögen.
Mit meinen Schülern war ich schon am Vormittag dort, als die Vorbereitungen für das Mittagessen langsam anliefen. Der Pfarrer hat unsere Fragen beantwortet, währenddessen kamen nach und nach auch die Mitarbeiter herein. Und da habe ich wirklich gestaunt: Fast 50 ehrenamtliche Helfer gaben sich die Klinke in die Hand, die Hälfte davon Männer, sehr ungewöhnlich für die Kirche. Als dann auch noch mein Autohändler mit der Schürze um den Hals herein kam, war ich echt platt. So oft klagen Kirchengemeinden über leere Kirchen und fehlende Mitarbeiter. Die Vesperkirchen sind dagegen voll und an Mitarbeitern herrscht kein Mangel.
Die Vesperkirche beeindruckt mich. Da sehe ich, dass die Kirche nicht nur redet, sondern auch etwas tut. Ich finde, das Helfen sollten Kirchengemeinden nicht nur  „Brot für die Welt", der Caritas oder den Diakoniestationen überlassen. Aber nicht nur Geld spenden, sondern selbst anpacken und Menschen helfen, die man kennt - aus der eigenen Stadt - das ist genauso wichtig.
Die Vesperkirche zeigt auch, dass die Kirche sich nicht abgrenzt, sondern für alle da ist. Die meisten Menschen, die den Gottesdienst oder andere Angebote der Kirche besuchen, kommen ja aus dem so genannten bürgerlichen Teil der Gesellschaft. In der Vesperkirche dagegen begegnen sich tatsächlich Menschen aus allen Gruppen und Schichten.
Die Vesperkirche zeigt auch, dass jeder wichtig ist und gebraucht wird. In der Schwenninger Vesperkirche spielt der Pfarrer nicht die Hauptrolle. Die täglichen Arbeitspläne werden von Ehrenamtlichen erstellt und sogar die Morgenandacht übernimmt jemand von den Helfern. Natürlich gibt es für den Pfarrer immer noch genug zu tun, aber die Verantwortung tragen viele.
Leider gibt es die Vesperkirche nur wenige Wochen im Jahr. Dann seien die Kräfte der Mitarbeitenden auch ziemlich aufgebraucht, hat uns der Pfarrer der Schwenninger Pauluskirche gesagt. Aber vielleicht kann die Vesperkirche ja eine Art Vorbild sein, wie Kirche auch in den übrigen Wochen des Jahres aussehen könnte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14704
weiterlesen...