Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Seit es Emails gibt, kriege ich kaum noch Briefe. Und wenn, dann sind es meistens Rechnungen, Werbungen oder Bittbriefe von Hilfsorganisationen.
Letztlich ist mir was ganz Eigenartiges passiert. Da lagen eine Werbebroschüre für Männermode und ein Schreiben von Caritas International nebeneinander im Briefkasten. In der Werbebroschüre ging es um Winterjacken. Im Caritasbrief um einen Wasserspeicher für ein Dorf in Bolivien. Das ist ja noch nichts Ungewöhnliches. Was mir aber so richtig ins Auge gesprungen ist, war der Betrag von 225 Euro.
225 Euro kostete die günstigste Winterjacke. Winddicht, wasserdicht, atmungsaktiv, mit verschweißten Nähten. Ebenfalls 225 Euro kostete es, eine bolivianische Familie ein Jahr lang mit Wasser zu versorgen, auf 1000 Quadratmetern ein Bewässerungssystem anzulegen und ein Schaf sowie fünf Hühner zu kaufen.
Ich sehe alles noch genau vor mir: Die schicke schwarze Winterjacke, den Betonbottich vom Wasserspeicher, die Rohre für das Bewässerungssystem und die Hühner. 225 Euro...
Nun, die Lebensverhältnisse in Deutschland und in Bolivien sind nicht zu vergleichen. Klar, für umgerechnet einen Euro bekommt man in Bolivien ganz andere Dinge und viel mehr als in Deutschland.
Aber die Lebensverhältnisse in Bolivien sind auch ungleich härter als in Deutschland. Von Mitte Dezember bis März regnet es in wahren Sturzbächen, danach ist es absolut trocken. In diesem Klima gedeiht nichts, es sei denn man sammelt das Wasser, in den Zeiten, in denen es so viel und so rabiat regnet, dass alles, was wachsen könnte, weg schwimmt.
Sammelt es in Zisternen, in denen das Wasser ein Jahr lang frisch gehalten werden kann. 225 Euro.

Ach ja, eine Winterjacke habe ich noch nicht. Aber einen warmen Mantel. Und der reicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14663
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