Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Sie zieht sich, diese graue Jahreszeit, die sich in unseren Breitengraden Winter nennt. Und im Februar habe ich oft genug davon. Möchte kein Matschwetter mehr, keine Skelette als Bäume und diese Kälte nicht mehr, die das Leben so verschließt. Geduld ist angesagt. Ich bin auf einen Text gestoßen, der mir hilft geduldig zu bleiben, besser warten zu können auf den Frühling, bis er dann endlich dran ist. Der Text ist von der Schweizer Schriftstellerin Evelyn Hasler und heißt „Brachzeit":

„Vom Winter lernen", schreibt sie, „der Stille vertrauen, der Sprengkraft des Unsichtbaren und dem Sammeln in den Kammern während der Brachzeit. Vom Winter lernen, sich überschneien zu lassen, ohne Furcht."

Ja, das ist gut, finde ich. Denn alles braucht seine Zeit und wir können von den Jahreszeiten lernen. Lernen uns einzulassen auf den großen guten Rhythmus von Leere und Fülle, von Wachsen und Ruhe, von Einatmen und Ausatmen. Vom Winter lernen heißt, auch die Brachzeiten meines Lebens anzunehmen und sie auszuhalten. Darauf zu vertrauen, dass diese Zeiten gerade diese Zeiten, in denen sich scheinbar nichts tut, wo es nach Stillstand aussieht, dass auch das wichtige Zeiten sind. Genau so wichtige Zeiten wie die des prallen Lebens. Dass sich in diesen Brachzeiten sehr wohl etwas tut, aber im Stillen, in der Tiefe. Wo unsichtbar, unter der Oberfläche in den Wurzeln sich Dinge entwickeln, die das Verkrustete, das Erstarrte aufsprengen können. Wenn ich mich besinnen kann auf das, was ist, auf das, was ich habe, auf das, was mir geschenkt wurde in meinem Leben. Wenn ich es betasten, bedenken und mich dafür bedanken kann. Wenn ich auf die sonnigen Zeiten schaue ohne mich dorthin flüchten zu wollen. In der Gewissheit, dass auch sie wieder kommen werden.

Und nach Kälte und Dunkelheit vielleicht noch viel sonniger sein werden, ja vielleicht erst dann richtig hell und warm sind. Dann kann ich mich auch „überschneien lassen", ohne Angst dabei zu erfrieren. Und dann kann ichvielleicht auch die Schönheit des Schnees sehen und den Sinn der Kälte erkennen...

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14658
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