SWR1 3vor8

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„In der Bibel - da steht doch das drin, was man nicht darf" - so reagierte ein 14-jähriges Mädchen im Religionsunterricht. Wie kommen junge Leute auf solche Gedanken? Da muss doch irgendetwas schief gelaufen sein im Umgang mit der Bibel. Die Aussage des Mädchens entspricht auch Umfragen, denen zufolge die Bibel ein weithin vergessenes Buch ist. Über die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland liest danach keine Bibel mehr, schon gar nicht junge Leute.
Die evangelische und die katholische Kirche begehen heute den „Ökumenischen Bibelsonntag". Vielerorts findet ein so genannter „Kanzeltausch" statt: Evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer predigen in katholischen Gottesdiensten, katholische Pfarrer, pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter predigen auf evangelischen Kanzeln. Die Kirchen erinnern daran, dass die Bibel die gemeinsame Grundlage ist, auf die sich alle Christen beziehen. 
Für mich ist die Bibel spannend, voll von Lebensweisheiten und Ermutigungen. Sie ist für mich zu einem Acker geworden, den ich nie abernten kann. Sie ist für mich zu einer Quelle geworden, die umso reichlicher strömt, je mehr ich aus ihr schöpfe. Und immer wieder frage ich: Bei welcher Situation und in welchem Umfeld sind diese Texte entstanden? Was haben die biblischen Schriftsteller sagen wollen? Was könnte das heute bedeuten? Für Sie, für mich?
Vor 42 Jahren hatte ich „Primiz", ich feierte meinen ersten Gottesdienst. Gerne erinnere ich mich an das Motto: „Schwestern und Brüder, Jesus Christus hat uns zur Freiheit berufen!" Das steht in einem Brief des Apostels Paulus.
Zur Freiheit berufen. Frei von was? - Von Ängsten und Zwängen, vor allem von religiösen Ängsten. Jesus hat mit seinem Verhalten und mit seiner Verkündigung die Menschen von der wohl schlimmsten und folgenschwersten Angst befreit, der Angst vor Gott.
Und: frei wozu? - Der Gott der Bibel ermutigt zum Leben. Er schenkt Zuversicht und Hoffnung. Die Bibel ermutigt zur Freude am Glauben, zur Freude an Gott.
Das gilt für mich auch dann, wenn ich längst nicht alles verstehe, was in der Bibel steht, mir manches darin fremd bleibt.
Doch wie spannend der Umgang mit der Bibel sein kann, das verrät ein Wort des Schriftstellers Mark Twain (1835 - 1910): „Mich beschäftigt in der Bibel nicht so sehr, was ich nicht verstehe - doch mich beunruhigt sehr, was ich verstehe, aber nicht tue."
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14602
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