Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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»Ein alter Mann saß mit seinem Enkel am Lagerfeuer. Nach einer Weile des Schweigens sagte der Alte: "Weißt Du, wie ich mich manchmal fühle.? Es ist, als ob da zwei Wölfe in meinem Inneren um mein Herz kämpfen würden. Einer der beiden ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Der andere hingegen ist liebevoll, verzeiht und ist mitfühlend." Diese Geschichte hat mir ein Freund erzählt. Und sie geht weiter:
"Der Alte erzählt seinem Enkel aus seinem Leben. Das Leben und die Menschen waren nicht immer freundlich und wohl gesonnen. Er hätte viele Gründe verbittert zu sein. Aber es gab auch schöne Momente, eine langjährige gute Liebesbeziehung zu seiner Frau, immer wieder eine interessante Arbeit. Der Enkel hört aufmerksam zu. Er hört von hinterlistigen und guten Geschäftspartnern. Er erfährt einiges über schwere Zeiten aber auch Glücksmomente. Immer wieder schweigen die beiden. Schließlich fragt der Junge den Alten: "Du hast vorhin von zwei Wölfen in deiner Brust erzählt, die um dein Herz kämpfen, dem rachsüchtigen und dem verzeihenden. Welcher der beiden wird den Kampf um Dein Herz gewinnen?" Nach einer langen Minute des Schweigens antwortet der Alte: "Der Wolf, den ich füttere." « Soweit die Geschichte.
Komischerweise schenken wir dem Schlechten oft mehr Beachtung als dem Guten.
Hat jemand, als Beitrag zur Hausarbeit, zum Beispiel vergessen, die Spülmaschine auszuräumen und das saubere Geschirr aufzuräumen, heißt es nicht: Du bist in der Regel zuverlässig, in 9 von 10 Fällen denkst du dran. Nein, er bekommt zu hören: „Du bist unzuverlässig, Du hast mal wieder vergessen, die Spülmaschine auszuräumen!" Was wir unterlassen, versäumen, falsch machen, das findet oft mehr Beachtung als das, was gut läuft, was klappt, was gut tut. So wird der böse Wolf gefüttert. Und er ist grausam. Der gute, liebevolle Wolf verhungert. Anderes Beispiel: Der Vorgesetzte sieht zwar, was seine Mitarbeiter alles leisten, wo sie sich einbringen. Aber wenn mal wieder was daneben ging, lässt er seine kritischen Bemerkungen los. Schnell wird dann die lobende Rede bei der letzten Weihnachtsfeier als Heuchelei empfunden. Er hätte eine Feiertagsrede gehalten, sagt man ihm. Auf Nachfrage erklären die Mitarbeiter, sie hätten übers Jahr hin eher den Eindruck, er wäre mit ihrer Arbeit unzufrieden. Das ganze Jahr über nur Kritikgespräche, an Weihnachten Süßholz. Ich denke es ist falsch zu glauben, Mitarbeiter wüssten von alleine um ihren Selbstwert. Kein Kommentar sei Lob genug. Es passiert schnell und unbemerkt: Der negative Wolf wird gefüttert und gepflegt. Der Gute droht daneben zu verkümmern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14495
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