Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Keiner ist verrückt, wenn er mit sich selbst redet. Innerlich meine ich. Oft sind es sogar mehrere innere Stimmen, die sich zu Wort melden. Nicht nur "Engelchen und Teufelchen". Psychologen und Neurowissenschaftler sagen, unser Gewissen wird geformt aus den Stimmen unserer Eltern, von Vorbildern und dem was wir in unserer Gesellschaft hören, was wir für Erfahrungen gemacht haben und was als gut und richtig gilt. Das Gehörte verwandelt sich in innere Stimmen, die sich dann zu Wort melden, wenn wir mit Unstimmigkeiten konfrontiert sind. Wenn neue, noch nie da gewesene Entscheidungen und Heraus-forderungen anstehen, dann geht es in unserem Inneren zu wie in einem Parlament. Es gibt eine Art Regierung. Sie hat die Mehrheit, ist an der Macht. Um diese Mehrheit zu behalten muss sie argumentieren, müssen die Minister vorweisen, dass ihre Meinung zukunftsfähig ist. Die Opposition legt sich mächtig ins Zeug und versucht ihrerseits die Mehrheit im Parlament zu überzeugen. Psychologische Schulen sprechen auch von einem inneren Team oder von Subpersönlichkeiten, verschiedenen Ich-Zuständen, um dieses Phänomen der inneren Dialoge zu erklären.
Ich finde es spannend, dieses innere Parlament bei seiner Arbeit zu beobachten. Versuchen Sie mal wie ein Reporter ihr inneres Parlament zu beschreiben. Wer sagt da was und aus welchem Grund. Ich entdecke oft meine Vorbilder und deren Werte. Sind diese noch zeitgemäß, frage ich mich? Manche sprechen vielleicht nur aus Gewohnheit und Bequemlichkeit und passen gar nicht zur aktuellen Situation! Wie oft kommt eigentlich das innere Team wirklich dazu, mal eine Sache auszudiskutieren? Ein Parlament nimmt sich die Zeit für eine erste, zweite, dritte Lesung. Redner der verschiedenen Parteien in mir lassen sich möglicherweise gar nicht aussprechen oder fallen sie sich selbst ins Wort, unterdrücken womöglich unangenehme Aussagen oder Wahrheiten. Am Ende entscheidet dann doch die Kanzlermehrheit, oder es gibt auch Überraschungen. Um herauszufinden wie die Mehrheitsverhältnisse liegen und wer in meinem Kabinett sitzt, stelle ich ganz einfache Fragen: 1. Was ist mir wirklich wichtig? Wo ist meine positive Leidenschaft, bei welchen Gelegenheiten bekomme ich glänzende Augen? und 2. Was bringt mich auf die Palme? Wann werde ich wütend und leidenschaftlich engagiert? Dem inneren Parlament genau zuhören, im Zeit und Raum für eine ausführliche Plenarsitzung und engagierte Debatte zu geben ist für mich wie beten. Die unterschiedlichen Stimmen kommen zu Wort und ich möchte sorgsam abgewägen, was wirklich wichtig ist, was wirklich zählt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14494
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