Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Als Jesus geboren wurde erschien ein Stern und drei Könige im Morgenland machten sich auf die Reise. Der Legende nach machte sich auch ein vierter König auf den Weg. Er hatte kein Gold oder ähnliche Schätze. Er packte eine Ringelblumen-Salbe, eine Flasche Wein, eine Daunendecke, ein paar Maronen und drei Kerzen ein. Er traf ein Mädchen. "Ich nix spreche Deutsch und meine Bruder krank". "Ich versuch Euch zu helfen!" sagte der König. Er behandelte den Hautausschlag des Jungen mit der Ringelblumen-Salbe und er gab den Flüchtlingskindern Sprachunterricht. Er hatte Zeit verloren. Er machte sich schnell wieder auf den Weg. Er stieß auf eine vornehme Reisegesellschaft, die auch dem Stern folgte. Sie reisten 1.Klasse und waren schneller als er. Am Abend kam er als letzter im Hotel an. Ausgebucht! Ihm blieb nur eine Absteige übrig. Dort traf er eine arme Familie mit einem Kind, die den ganzen Tag noch nichts gegessen hatten. Da holte er aus der Küche des Hotels die Reste vom Abendessen der Vornehmen und gemeinsam mit seinem Wein aß und trank er mit den armen Leuten. Dem Kind gab er seine Decke aus flauschigen Daunen. Am nächsten Tag ging's weiter, vorne der Stern, dann die vornehmen Könige und hinten drein der vierte König. Bis zum Abend hatte er den Anschluss an die schnellen Herren wieder verloren. Er erreichte ein kleines Haus. Drinnen saß ein altes Ehepaar in der finsteren Stube. Sie konnten kein Feuer machen, da sie nicht mehr bei Kräften waren. Ohne lange zu überlegen, holte der König sein Feuerzeug heraus, machte Licht, hackte ein wenig Holz und röstete die Maronen. Am nächsten Morgen machte er sich wieder eilends auf den Weg. Er folgte dem Stern, der über einem Stall stehen blieb mit Ochs und Esel, einer Frau, einem Mann und einem Neugeborenen. Von den reichen Königen war nichts mehr zu sehen. Nur ihre wertvollen Geschenke standen da und ein Hauch von Weihrauch hing noch in der Luft. Traurig dachte der König an seine leeren Taschen, nur drei Kerzen waren noch übrig. Er kam zu spät. Er kauerte sich in den Schatten und zog seinen Mantel fest um sich.
"Warum bist Du so traurig?" fragte der Esel. "Ich habe keine Geschenke mehr, außer ein paar Kerzen, und stehe jetzt am Ende meiner Reise mit leeren Händen da. "Aber warum denn?", fragte der Esel. "Denk doch an die Kinder, die eine Heimat gefunden haben!" Und da begann eine der Kerzen, strahlend zu leuchten. "Denk an die Leute, denen Du Zeit und Deine Gesellschaft geschenkt hast, an das Kind, das nun in die flauschigen Daunen gehüllt ist!", die zweite Kerze erstrahlte. "Und denk an die alten Leute, die nun im Warmen sitzen!" sagte der Esel und auch die dritte Kerze erstrahlte und das Kind in der Krippe lächelte.  
(sehr sehr frei nach der gleichnamigen Erzählung von Edzard Schaper)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14492
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