SWR1 3vor8

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Von oben kommt selten was Gutes. Denn die da oben wissen ja nicht, was wir brauchen. Die wissen ja nicht, wie es uns kleinen Leuten geht. Das höre ich oft. Und wenn einer von denen da oben kommt, sagen viele, dann kommen sie mit Regelungen und Vereinbarungen und erklären, dass es nicht anders geht. Da kann man nichts machen, wenn man zu denen gehört, die unten sind. Der von oben kommt, der steht über allen. Der ist unangreifbar.
Merkwürdig, dass gerade heute, am 1. Weihnachtsfeiertag, in den Evangelischen Kirchen von einem die Rede ist, der von oben kommt. Der Bibelabschnitt, über den gepredigt werden soll, der fängt so an: „Wer von oben kommt, der steht über allen."
Das ist gewissermaßen der Kommentar des Johannesevangeliums zu Jesus Christus. Von seiner Geburt erzählt die Bibel, sie sei in einem Stall in Bethlehem gewesen. Und Johannes kommentiert, nachdem dieser Jesus schon längst erwachsen geworden und wieder gestorben war: „Wer von oben kommt, der steht über allen".
Merkwürdig. Der war doch so ganz anders als die, die sonst von oben kommen. Er war keiner, der mit gut vorbereiteten Reden und sorgfältig ausgeklügelten Plänen Reformen verkündet hätte und Umstrukturierungen. Jesus Christus, dessen Geburt wir Christen heute feiern, von dem glauben wir: Er war einer von uns. Einer von uns hier unten. In ihm ist Gott Mensch geworden. Weil er sehen will, hören und erleben will, wie es uns geht, unsere Erfahrungen teilen.
Deshalb ist Gott zur Welt gekommen und sieht in welchen Zwängen wir Menschen stecken, er sieht unser Unvermögen, menschlich miteinander umzugehen. Er erlebt unsere Versuche und unser Versagen, unsere Erfolge und die Enttäuschungen. Er teilt das Leben, wie es ist, hier unten. Er lernt das Leben kennen.
Und wo er in Jesus Christus Menschen begegnet, da lernen sie Gott kennen. Sie spüren, dass Gott es gut mit ihnen meint. Sie können sich aufrichten, weil sie begreifen: Mag sein, dass wir ganz unten sind. Und vielleicht haben wir vieles verkehrt gemacht. Vielleicht interessiert das sonst niemanden. Aber Gott interessiert es. Er ist bei uns hier unten. Und die Geschichten, die Jesus ihnen erzählt hat, die zeigen uns heute noch, wie das Leben anders werden kann. Besser. Leichter.
Viele haben das erlebt und erleben es bis heute. Deshalb hat dieser Johannes in seinem Evangelium geschrieben: Der von oben kommt ist über allen. Er ist nämlich einer von uns. Und kommt doch von ganz oben.

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