SWR1 3vor8

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Stephanus - Apostelgeschichte 6,8-10;7,54-60 
2. Weihnachtstag

Ein Mann wird umgebracht, gesteinigt. Der Mann heißt Stephanus. Was soll das am 2. Weihnachtstag? Kaum, dass man sich freut über die Geburt Jesu, kaum dass man festlich gestimmt ist - diese grausame Nachricht. Warum legt die Kirche das Weihnachtsfest und den Gedenktag des Stephanus so dicht hintereinander? 

Vielleicht will sie damit sagen: Es gibt keine heile Welt, nicht an Weihnachten, auch nicht unter den Christen. Das wird mir schmerzlich bewusst und am Schicksal des Stephanus klar.

Wer ist Stephanus? - Laut Bibel eine faszinierende Gestalt - jung und weitsichtig, mutig und redegewandt. Eine der großen Persönlichkeiten der frühen Kirche. Die junge christliche Gemeinde war noch klein und es ging darum: bleibt sie auf Israel begrenzt oder öffnet sie sich. Es war ein schwieriger Reifungsprozess, bis aus einer jüdischen Sekte Weltkirche werden konnte. Ein Glaube, der Juden und Griechen, Römer und andere Völker umfassen sollte.  

Stephanus war ein führender Kopf in dieser Bewegung. Die Christen, die streng am jüdischen Gesetz und an den Tempelriten festhalten wollten, verweigerten sich jeder Öffnung nach außen. Die Auseinandersetzungen wurden immer radikaler. So wurde Stephanus schließlich ein Opfer frühchristlicher Streitereien. Das war etwa um das Jahr 32 n. Chr.  

Wie reagiert Stephanus darauf? Angesichts der drohenden Steinigung hätte er sich wehren können, jammern, um Gnade flehen, schreien können. Das alles tut er nicht.

Stephanus ist eine charismatische, eine geistliche Persönlichkeit. Erfüllt von seinem Glauben an Jesus Christus ruft er aus: „Ich sehe den Himmel offen!" Eine Art innere Schau. Und die lässt ihn überraschend gewaltlos reagieren: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an." Hier ist er ganz bei seinem Vorbild Jesus.  

Was könnte das für die Kirchen heute bedeuten? Lernen - aus den Erfahrungen einer langen, oft unseligen und blutigen Geschichte, wo man einander im Namen des „wahren christlichen Glaubens" den „rechten Glauben" abgesprochen hat.

Wie ich die Bibel verstehe, steht und fällt der „wahre christliche Glaube" im Sinne Jesu mit der „Menschlichkeit". Und was ist menschlich im Sinne Jesu? Die Spirale von Hass, Feindschaft und Rache unterbrechen durch das glatte Gegenteil: Liebe, Toleranz, Versöhnung.  

Ich wünsche Ihnen einen schönen und gesegneten 2. Weihnachtstag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14401
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