SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Missmutig dreht der 68-jährige Mann  seinen  Stift in den Fingern: „Was gibt es an Neujahr zu feiern, möcht'  ich wissen. Da ballern die Leute Raketen in  die Luft, machen Remmi-Demmi -  und dann? Die Welt bleibt so mies, wie sie war. Für mich ist sowieso das meiste gelaufen: Rente, Sozialstation und irgendwann das Pflegeheim - so kommt's!  Neujahr feiern? Ohne mich!"
Ganz anders klingt das, was  ein Politiker zu Beginn des Jahres 1953  in sein persönliches Tagebuch eintrug. Es war Dag Hammarskjöld,  der damalige  Generalsekretär der Vereinten Nationen, der zum Jahreswechsel  notierte:      

 Für das Vergangene: Dank;  für das Kommende: Ja!"

Das schrieb ein Mann, der sich rastlos - bis zur Erschöpfung -  für Verständigung und Frieden in der Welt einsetzte,  dabei  aber ständig   Rückschläge hinnehmen  musste. Er starb gewaltsam: bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz, vermutlich durch ein Attentat. Erst nach seinem Tod entdeckte man, vor allem an Hand dieses Tagebuches, dass er ein tief gläubiger Mensch gewesen war.  Eigentlich war es Gott, an den sich seine Worte  richteten:

„Für das Vergangene: Dank,  für das Kommende: Ja!"  

Für Gutes und Schönes  dankbar zu sein,  ist, denke ich, eine sympathische menschliche Tugend, die ihren guten Grund hat.    Der Dichter Matthias Claudius beschreibt  einmal, wie er am  Neujahrsmorgen  draußen auf einem Stein sitzt und auf das gewesene Jahr zurückblickt.  Scheinbar Selbstverständliches  bringt er zur Sprache, die einfachen Worte lassen seine innere Bewegtheit  spüren:

...ich sitze da und denke dran, dass ich in dem vergangenen Jahr die Sonne so oft hab' aufgehen sehen und den Mond, dass ich so viele Blumen und Regenbogen gesehn und so oft aus der Luft Odem (Atem) geschöpft und aus dem Bach getrunken habe; und denn mag ich nicht aufstehn und nehm' mit beiden Händen meine Mütz' ab und guck hinein.

Ist es möglich, auch für Dunkles und Schweres  zu danken? Vielleicht muss man älter geworden sein, um zu erkennen: Auch  schmerzliche  Stunden können ihren Sinn in sich tragen, allerdings kann das nur jeder für sich selbst entdecken und  meist  erst im Rückblick. „Diese Erfahrung möchte ich nicht missen,"  sagen dann viele, „heute bin ich dankbar dafür".                                     

Diese Tage sind voll von guten Wünschen: „Ein glückliches  neues Jahr!" Was meinen wir damit?  Jeder weiß doch: Selbst  der liebevollste Wunsch kann nicht verhindern, dass sich auch in diesem Jahr  Schlimmes in der Welt ereignen und auch in unserem eigenen Leben nicht nur eitel Sonnenschein herrschen wird. „Wie gut, dass ich nicht weiß, was kommt!", sagt mancher  und verbirgt  dahinter seine  Angst. 

Ganz anders klingen  die Worte, die Dag Hammarskjöld, der schwedische UN-Generalsekretär, vor Jahrzehnten niederschrieb:

Für das Vergangene: Dank; für das Kommende:Ja.

Wenn man weiß, dass er wenige Jahre später einem Attentat zum Opfer fiel, erhalten diese Sätze ein besonderes Gewicht.
Bereits im Voraus, also im Blick auf eine unbekannte Zukunft  Ja zu sagen  erfordert   viel Mut und Vertrauen. Wir haben davon mehr in uns, als wir vermuten. Sonst würden wir morgens kein Bein aus dem Bett setzen und aufstehen - so anschaulich  hat es  jemand  einmal gesagt.

Ja, Gott sei Dank: Die meisten Menschen   leben aus einem Reservoir an Grundvertrauen, das sie immer wieder ermutigt zu leben - vielen negativen  Erfahrungen zum Trotz. 
Ich glaube, ganz entscheidend dabei ist, ob wir die uns geschenkte Zeit  vor einem größeren Horizont  sehen können. Reicht mein Blick nur bis zur Grenze des Todes oder wage ich darüber hinaus zu glauben und zu hoffen?    
Ein Name für diesen unendlichen Horizont ist Gott. Christen glauben, dass er in Jesus von Nazaret  in unsere irdische Zeit eingetreten ist und sich uns Menschen in Liebe zugewandt hat. Sie glauben, dass er nicht das Ende seiner Geschöpfe will, sondern ihre endgültige Zukunft.

Von seiner Liebe her fällt Glanz auch auf den grauesten Alltag, denn wer liebt, ist Gott nahe, ob er es weiß oder nicht. An jedem Tag hat er  Gelegenheit dazu, denn - so lautet  ein einfacher  Spruch -  "Es steht immer einer neben  dir, der deine  Liebe braucht". 

Ich möchte Sie ermutigen, dass Sie Ja sagen zu Ihrem Leben und zum neuen Jahr 2013. Von Herzen wünsche ich Ihnen: „Ein gutes neues Jahr!"

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14311
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