Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn eine Ministerin oder ein Firmenchef oder ein Bischof eine wichtige Rede hält, dann gibt es für die Medienvertreter in der Regel eine Pressemappe. Darin sind Hintergrundinfos und eine Pressemeldung, die die Journalisten übernehmen können, wenn sie nicht selbst schreiben wollen. Das Wichtigste in der Pressemappe ist aber das Manuskript des Vortrags, damit man daraus auch wörtlich zitieren kann. Und dann steht da, meistens eingerahmt oder kursiv, damit es ja niemand übersieht: „Es gilt das gesprochene Wort - Ausrufezeichen!"  

Das Manuskript, das an irgendeinem Schreibtisch ausgearbeitet wurde, ist die Grundlage des Vortrags, nicht der Vortrag selbst. Es könnte ja sein, dass sich in der Nacht vor der Veranstaltung die Situation so sehr verändert, dass die Aussagen dann so nicht mehr stimmen. Es kann aber auch sein, dass der Redner oder die Rednerin spontan vom Manuskript abweicht, wenn er oder sie nicht den Bildschirm des Computers vor sich sieht, sondern Menschen, konkrete Menschen, Gesichter, die aufmerksam oder gelangweilt wirken, fragend schauen oder zustimmend nicken. Im schlimmsten Fall lesen sie irgendwas anderes, checken E-Mails oder tuscheln mit dem Nachbarn. Der Referent versucht, das Interesse wachzuhalten und das Publikum nach Möglichkeit von seiner Sache zu überzeugen. Und dazu muss er spüren, wie die Atmosphäre im Raum ist und entsprechend reagieren. Und was er dann sagt, das gilt, das darf man zitieren und darauf kann man ihn festnageln. Das gesprochene Wort ist das ursprüngliche, lebendige. In manchen Kulturen wird bis heute nicht geschrieben, sondern nur gesprochen.

 „Es gilt das gesprochene Wort!" Dieser Satz steht nicht in der Bibel, aber er könnte dort stehen. Denn was dort über das gesprochene Wort steht, passt genau dazu: Das Wort ist Fleisch geworden, heißt es da. Das Wort, das Gott spricht, ist so verbindlich, so konkret, so sehr auf uns bezogen, dass man es nicht nur hört, sondern mit allen Sinnen wahrnimmt. Sein Wort hat die Gestalt eines leibhaftigen Menschen: Jesus von Nazaret. Er ist nicht nur der Bote, der geschickt wird, oder der Zeuge, der etwas bestätigt - er ist selbst das Wort, das Gott uns zu sagen hat.

 „Es gilt das gesprochene Wort!" Ich finde, treffender kann man die Botschaft von Advent und Weihnachten kaum ausdrücken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14297
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