SWR3 Gedanken

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Andrea treffe ich auf dem Friedhof. Andrea ist acht Jahre und vor ein paar Wochen ist ihre Mutter gestorben. Sie war an Krebs erkrankt. Nachmittags schaut Andrea manchmal nach dem Grab ihrer Mutter. Sie erzählt ihr das Neueste aus der Schule oder was sie gerade wieder mit ihren jüngeren Geschwistern erlebt hat. Andrea ist traurig, aber auch froh, mit ihrer Mutter weiter Kontakt zu haben und mit ihr zu reden. Sie weiß, sie kriegt keine Antwort mehr, dafür kann Mama aber auch nicht mehr mit ihr schimpfen.
Für das Grab hat sie ein Bild mit einem bunten Schmetterling gemalt. Meine Mama hat jetzt auch Flügel, davon ist Andrea überzeugt. So wie aus einer Raupe ein schöner Schmetterling wird, verwandelt sich auch der Mensch, wenn er tot ist. „Und meine Mama ist ein Schmetterling geworden und fliegt jetzt durch den Himmel. Können Schmetterlinge eigentlich singen? Mama hat immer gerne gesungen, wenn sie abends an meinem Bett gesessen hat. Auch dann, als sie schon ziemlich krank war. Manchmal hat sie dabei ein bisschen geweint. Dann hab ich sie in den Arm genommen. Und sie mich. Und es war wieder ein bisschen gut."
Was Andrea über den Schmetterling denkt, gefällt mir. Ich glaube auch daran, dass Menschen sich verwandeln, wenn sie gestorben sind. Sie sind nicht einfach tot. Dieses Bild vom Schmetterling hilft einem Kind wie Andrea, ein bisschen weniger traurig zu sein. Und es hilft, den Tod einmal anders zu sehen und begreifen zu lernen. Und mit einer gehörigen Portion Hoffnung vom Tod und unseren Toten zu reden. Und sie so in Erinnerung zu behalten.
Andrea schaut mich lächelnd an: „Weißt du, für mich und Papa ist es ganz schlimm, dass Mama nicht mehr da ist. Deshalb ist es doch schön, sich die Mama als einen Schmetterling vorzustellen. Ein Schmetterling, der im Himmel für die Engel singt."

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