SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Beppo ist Straßenkehrer. In dem Buch „Momo"von Michael Ende denkt er darüber nach, was passieren kann, wenn eine sehr lange Straße vor ihm liegt: „Man fängt an, sich zu beeilen. Und man eilt sich immer mehr. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem." Beppo kommt zu dem Schluss:„So darf man es nicht machen."
Ich bin kein Straßenkehrer, aber ich finde mich manchmal in Beppos Worten wieder. Es gibt Tage, an denen ich das Gefühl habe, nicht hinterherzukommen mit dem, was mir wichtig ist: zu viele Termine und Verpflichtungen auf der Arbeit, zu viel, was ich sonst noch gerne erledigen möchte, und meistens kommt ausgerechnet dann noch etwas dazwischen, womit ich nicht gerechnet habe.Stress macht sich breit und das Gefühl:du bist zu langsam, du schaffst das nicht, du kommst nicht hinterher.Ich fühle mich wie auf der Flucht und am Ende des Tages liege ich dann unruhig im Bett, habe mich den Tag über abgerackert und bin trotzdem unzufrieden. In diesen Momenten wünsche ich mir, einfach abschalten und gelassener sein zu können.
Das Wort Gelassenheit kommt von ´sich niederlassen´ und genau das trifft den Punkt. Denn mich irgendwo niederlassen ist das Gegenteil von auf der Flucht sein. Michniederlassen bedeutet, mich an einer Sache,an einem Ort festzumachen, undmit meinen Gedanken bei dem zu sein, was ich gerade tue.Beppo erklärt das so: "Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken", sagt er. „Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste. Das ist wichtig."
Die christlichen Lehrer im Mittelalter gehen noch einen Schritt weiter. Nicht an einer Sache, auch nicht an einem Ort, sondernin Gottwollen sie sich niederlassen. Das bedeutet für sie,sich Gott zu ergeben.Mit anderen Worten: sie geben auf. Sie geben auf, dass ich nur dann glücklich sein kann, wenn ich alles durchschaue, wenn ich so wie viel wie möglich leiste und wenn ich am besten heute schon erledige, was übermorgen erst ansteht. Sich in Gott nieder zu lassen, das kann den Druck rausnehmen und frei machen: im hier und heute den nächsten Schritt zu tun, den nächsten Atemzug, den nächsten Besenstrich.

 

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