Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Der Tod geht zwei Schritte hinter Dir, nütze den Vorsprung und lebe!" Ein guter Spruch des Autors Werner Mitsch. Weil er so mehrldeutig ist. Einerseits ist es ja bedrohlich, wenn ich mir vorstelle, den Tod im Nacken zu haben. Immer und überall! Ist auch so, denn immer und überall kann mein Leben zu Ende sein. Durch einen Unfall oder durch Krankheit, auf der Autobahn oder im Bett, heute Nachmittag oder in 30 Jahren. Darum gilt es eben den Vorsprung zu leben. Sei es nur einen Tag oder 30 Jahre lang. Nicht panisch oder verzweifelt, sondern ruhig und bewusst, denn der Tod ist neben der Tatsache, dass ich lebe, die einzig absolute Sicherheit in meinem Leben, er kommt todsicher. Aber solange ich lebe, hat er scheinbar nichts mit mir zu tun. Scheinbar! Denn seine Allgegenwart hat sehr wohl mit mir zu tun. Wenn andere Menschen sterben, werde ich an meine eigene Sterblichkeit erinnert und wenn ich den Verstorbenen geliebt habe, stirbt mit ihm immer auch ein Stück von mir mit. Der Tod ist allgegenwärtig, auch wenn wir seine Spuren nicht sehen wollen. Wenn Leichenwagen in unauffälligem Silbergrau gespritzt sind und nicht mehr schwarz wie früher. Oder wenn das Sterben in Krankenhäusern, Altenheimen und Hospizen versteckt ist und nicht mehr zu Hause und im Kreise der Familie stattfindet. Der Tod macht Angst, weil er alle Lebenslust, alle Lebensfreude, das ganze Leben beendet, endgültig beendet. Er macht Angst, weil er mit Schmerz, Abschied und Trauer verbunden ist. Weil wir nicht wissen, was danach kommt und weil wir nicht mehr regelmäßig im Kontakt mit ihm sind. Vielleicht brauchen wir ja auch deshalb diese Unmengen an Leichen im Fernsehen. Tag für Tag tausende Tote auf den Bildschirmen! In sicherer Halbdistanz und wohligem Grusel vom Sofa aus betrachtet. So dass ein Tatort ohne Leichen einem vorkäme wie eine Sportschau ohne Fußball. Darum finde ich es auch ziemlich sinnvoll, dass die ARD den Tod ab heute eine Woche lang mal anders ins Programm nimmt. Die Themenwoche „Leben mit dem Tod" soll helfen, den Tod aus den Tabu-Zonen unserer Gesellschaft zu holen. Und das ist auch gut so. Denn alles Verdrängen und Tabuisieren belastet den Menschen und macht ihn unfrei. Es belastet ihn bei Todesfällen, die schon belastend genug sind noch mehr und macht ihn unfrei, seine Ängste, Schmerzen und Trauer auszudrücken. Der Slogan der Themenwoche ist eine so provokante wie wohlwollende Aufforderung, das Tabu Tod aufzuknacken. Er lautet : „Sie werden sterben, lasst uns darüber reden!"

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14159
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