Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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2 Milliarden 760 Millionen 400 Tausend Mal schlägt das Herz eines Menschen, wenn er 70 Jahre alt wird. Lebt er noch länger, kann es bis zu 4 Milliarden Mal schlagen. Welch eine Zahl, welch' ein starkes, verlässliches Organ: unser Herz. Sekunde für Sekunde, Stunde um Stunde, Jahre, jahrzehntelang. Am Ende dieser Sendung wird das meine rund 200 mal geschlagen haben. Meist arbeitet es unbemerkt, nur nach körperlicher Anstrengung oder bei emotionalen Turbulenzen spüren wir es. Oder bei gesundheitlichen Problemen, bei Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen oder schlimmstenfalls bei einem Herzinfarkt. Nicht nur der Schmerzen wegen spürt man da: das Zentrum ist betroffen, es geht ums Ganze! Das Herz steht körperlich und seelisch für das Innerste, das Beste und das Liebste des Menschen. Es ist das Personzentrum des Menschen, wo seine Stärke oder seine Schwäche spürbar wird. Unsere Sprache hat klare Bilder dafür. Wenn Mut zum Beispiel als „beherzt" umschrieben wird oder wenn man sich „ein Herz fasst". Oder wenn Gefühle mit dem Herzen in Verbindung gebracht werden. „Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über", „Ein Herz und eine Seele sein" oder „Das Herz ausschütten" - alles Worte aus der Bibel übrigens, diesem Glaubensbuch, das auch in Herzensdingen ein weiser Ratgeber ist. Denn neben dem Verstand hat der Glaube mit dem Herzen zu tun, ja er sitzt dort, kommt von dort und kehrt auch dort ein.
Goethe hat in seinem Faust etwas über die Redekunst gesagt, das genau so gut für Glaubensdinge gilt. Er schrieb:
„Wenn Ihr's nicht fühlt, ihr werdet' s nicht erjagen, wenn es nicht aus der Seele dringt und mit urkräftigem Behagen die Herzen aller Hörer zwingt, doch werdet Ihr nie von Herz zu Herz es schaffen, wenn es Euch nicht von Herzen geht."
Da hat er so recht, der alte Goethe. Positiv ausgedrückt: Nur wenn ich etwas fühle, von etwas überzeugt, begeistert bin, dann kann ich das auch vermitteln, dann geht es von Herz zu Herz. Das gilt in der Erziehung, in der Liebe, wie im Glauben. Und die Sprache, fein dosiert eingesetzt, hilft dabei, in Freud' wie in Leid. Ein schweres Herz wird wieder leichter, wenn man sich aussprechen kann. Mit dem Partner, der Freundin, der  Seelsorger oder der Therapeutin. Ein anderer Großmeister des Worts, William Shakespeare, hat diesen heilsamen Zusammenhang zwischen Herz und Sprache einmal so ausgedrückt: „Sprich, gib Worte deinem Schmerz, denn nicht ausgesprochenes Leid bedrängt das Herz bis das es bricht".

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