Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie kann ich den Weg im Leben finden, der zu mir passt? Was hilft mir, so zu werden, dass ich zufrieden mit mir sein kann? Ein Vorbild vielleicht?
Er ist schlank, sportlich, gesund, gut gelaunt, freundlich, warmherzig, hilfsbereit, erfolgreich im Beruf, er führt eine Traum-Ehe und hat reizende Kinder. – Kennen Sie den? Ich nicht. Ich glaube, es gibt ihn auch gar nicht. Trotzdem geistern solche oder ähnliche Bilder vom idealen Mann oder der idealen Frau durch die Köpfe vieler Menschen. Mir geht es jedenfalls manchmal so. Aber ich glaube, dass es nicht sehr hilfreich ist, wenn ich mich an solchen Idealbildern orientiere.
Einen Weg zu finden, der zu mir passt, das kann ich vor allem von Menschen lernen, die auf den ersten Blick weit weg von so einem Idealbild sind, aber trotzdem ihren eigenen Weg durchs Leben gefunden haben.
Einer dieser Menschen ist der Sänger Thomas Quasthoff. Er hat eine wunderbare Stimme und wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. Kunstlieder und Opern sind eigentlich seine Welt, aber gerade sorgt er mit einer Jazz-Platte für Aufsehen. Nur ganz wenige Sänger haben eine so weite stilistische Bandbreite.
Wenn man Thomas Quasthoff hört, ahnt man nicht, dass dieser Mann mit der großen Stimme nur 1,32 m klein ist und keine Arme, sondern nur Hände hat. Das Medikament Contergan hat seine körperliche Entwicklung im Mutterleib behindert. Wegen seiner Behinderung wurde er trotz seines großen Talents nicht zum Musikstudium zugelassen. Doch er hat sich davon nicht entmutigen lassen. Heute ist er selbst Professor für Gesang an der Berliner Musikhochschule.
„Wie kann ein Mensch mit so einer Biografie zu so einem berühmten Künstler werden?“, wurde der heute 47-Jährige einmal gefragt. Er hat geantwortet: „Ich glaube, ich war Zeit meines Lebens immer in der wunderbaren Situation, Freunde, Eltern, einen Bruder, jetzt meine Frau, also Menschen um mich zu haben, denen ich wichtig war und bin, die mich zum großen Teil auch sehr bedingungslos lieben“.
Um den eigenen Weg zu gehen, braucht es also vor allem eins: Liebe. Wenn andere mich annehmen wie ich bin, kann ich mich auch selbst annehmen, auch mit allem, was nicht ideal an mir ist; ich kann mich auf meine Stärken und Begabungen konzentrieren.
Nun hat aber nicht jeder das Glück, solche Menschen um sich zu haben. Haben Sie jemanden, der Sie bedingungslos liebt? Ich kenne jemanden, der das auf jeden Fall tut: Gott.

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