Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wissen Sie, was ein „will to please“ ist? Meine Frau und ich wissen das neuerdings, weil wir uns nach einem Hund umschauen. „Will to please“ ist Züchtersprache und heißt auf deutsch „Wille zu gefallen“. Einen „will to please“ hat ein Hund dann, wenn es sein höchstes Ziel ist, keinen Streit anzufangen. Solche Hunde lieben die Harmonie. Deshalb sind Hunde mit einem ausgeprägten „Willen zu gefallen“ gute Familienhunde. Sie ordnen sich unter, auch kleinen Kindern gegenüber. Genau so einen Hund suchen wir.
Ich glaube, diese Eigenschaft ist nicht nur bei Hunden gefragt, sondern auch bei Menschen. Jemand der alles tut, nur um keinen Konflikt zu verursachen, mit dem kann man prima auskommen. Wer seine eigenen Interessen immer hinten anstellt und als größtes Ziel hat, den anderen zu gefallen, mit dem bekommt man in der Familie, am Arbeitsplatz, im Verein oder in der Kirchengemeinde keine Probleme.
Nur, welche eigene Meinung so ein Mensch hat, erfährt man leider nur bei absoluter Windstille. Sobald ein bisschen Gegenwind auf kommt, hält er sich raus. Und das ist doch schade. Vielleicht käme es manchmal gerade auf seine Meinung oder sogar seinen Einspruch und Widerspruch an.
Man könnte vermuten, dass der „will to please“ eine besonders christliche Eigenschaft ist. Die eigenen Interessen zu Gunsten der anderen zurückstellen. Den Frieden zwischen den Menschen an die erste Stelle setzen. Das hört sich doch nach Nächstenliebe und Demut an.
Ich habe mir deshalb mal im Lukasevangelium angeschaut, wie Jesus sich denn so verhalten hat. Und das Ergebnis ist erstaunlich: Von „will to please“ keine Spur. Es geht damit los, dass der 12-jährige Jesus seinen Eltern abhaut. Als Erwachsener predigt er in einer Synagoge und bringt seine Zuhörer so zur Weißglut, dass sie ihn umbringen wollen. Wenig später bitten ihn Menschen, die er geheilt hat, doch bei ihnen zu bleiben, aber er geht einfach. – Zehn Konflikte in den ersten sieben Kapiteln, ich habe dann aufgehört zu zählen.
Harmonie scheint für Jesus kein besonders erstrebenswertes Ziel gewesen zu sein. Ihm ging es vor allem darum die Menschen voranzubringen. Ihnen zu zeigen, wenn sie auf dem falschen Weg waren. Unrecht anzusprechen und seine Gesprächspartner manchmal schonungslos mit der Wahrheit über sich selbst zu konfrontieren. Jesus ging es nicht darum zu gefallen, sondern um eine Sache, von der er überzeugt war: das Reich Gottes.
Von ihm können sich alle Menschen mit einem „will zu please“ und da schließe ich mich ausdrücklich ein, eine dicke Scheibe abschneiden. Die Hunde allerdings sollen ruhig so harmoniebedürftig bleiben wie sei sind.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1413
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