Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Der Allerseelen-Tag kommt, soweit er überhaupt wahrgenommen wird, etwas trist und melancholisch daher. Die dunkle Jahreszeit in unseren Breitengraden, der erste Raureif über den Dächern, die Gräberbesuche gestern an Allerheiligen - das alles konfrontiert uns mit Tod und Vergänglichkeit. Das vermag auch der importierte Mummenschanz um „Halloween" nicht zu überspielen. 
75 % der bundesdeutschen Bevölkerung wünschen sich am Ende ihrer Tage einen Sekundentod. Einfach zur Erde sinken wie ein fallendes Blatt, das sich mit einem leisen Knacken vom Baume löst. Aber nur etwa 5 % sterben tatsächlich diesen Tod. Mehrheitlich werden wir uns auf einen längeres und schmerzhaftes Abschiednehmen einzustellen haben.
Kann man sich denn mental auf seinen Tod vorbereiten? Ein Beter aus dem Alten Testament der Bibel bittet Gott: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden" (Psalm 90,12). Demzufolge wäre es ausgesprochen dumm, den Tod aus seinem Leben zu verdrängen.
Ich habe vor kurzem einen Freund und Wegbegleiter verloren. Verloren? In seinem Nachlass fanden sich die Sätze: „Ich verabschiede mich in Zärtlichkeit von euch allen, aber ich hoffe, dass wir uns weiterhin nahe bleiben können. Ich bin sehr neugierig, wie es nun mit mir weitergeht, und ob meine Vorfreude auf ein neues Leben berechtigt war..." Aus diesen Worten schwingt eine leise Melodie. Sie singt von der Sehnsucht nach Unsterblichkeit, nach einem neuen, anderen Leben. Christinnen und Christen verbinden diese Hoffnung mit Ostern, mit der Auferstehung Jesu vom Tode. Auch an Allerseelen feiern wir Ostern, wenn in den Gottesdiensten der Toten gedacht und für sie Kerzen entzündet werden.
„Meine lieben Sterblichen" - mit dieser seltsamen Anrede hat eines Abends der unvergessene Hanns Dieter Hüsch, Humorist, Kabarettist und Christ seines Zeichens  sein geschätztes Publikum begrüßt. In den Reihen wurde es mucksmäuschenstill! Und  er fuhr fort, das sei nicht traurig, bitter oder gar aggressiv gemeint. Wörtlich: „Die Gewissheit, dass wir sterblich sind, könne uns vielleicht auch freundlich und heiter stimmen." 
Vielleicht gelingt es uns, den heutigen Tag - er ist der erste vom Rest unseres Lebens - „freundlich und heiter" anzunehmen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14049
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