SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Jeden Morgen gehe ich zuerst ins Bad und stehe vor dem Spiegel. Verschlafen, unordentlich, zerzaust sehe ich mein Gesicht. Mein eigenes Gesicht. Es ist das erste, was ich vom neuen Tag sehe. Mein Gesicht im Spiegel. Ich schaue es an und denke: Ich kenne dich nicht, aber ich wasche dich trotzdem. Manchmal gelingt es mir in Ruhe mir selber zu sagen: Dieser Mensch, den ich da sehe, ist ein von Gott geliebter und bejahter Mensch. Ich höre dann auch meine eigene Frage in mir: Was ist an mir schon liebenswert? Ich bin noch nicht in Hochform. Ich bin noch nicht gewaschen, nicht gestylt und nicht gepflegt. Ich habe noch nichts geleistet an diesem neuen Tag. Ich habe noch längst keinen Grund, mit mir zufrieden zu sein. Mich an mir selber zu erfreuen. „Doch dann fällt mir Psalm 8 ein, mein Lieblingspsalm: Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, ..., dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt." (Ps 8,5-6) Dann wird mir bewusst: Gott liebt mich. So wie ich bin. Er hat mich mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Ich schaue in den Spiegel und erfreue mich an diesem Gedanken. Noch ungewaschen und ungepflegt. Und dann kann ich auch sagen: Ja, diesen Menschen, den ich da sehe, liebe ich auch. Ich lächle mein eigenes Gesicht an. Weil Gott Ja sagt zu mir, sage ich auch Ja zu mir und zu diesem neuen Tag: Mein Morgengebet. Man kann sich natürlich auch am Abend vor den Spiegel stellen. Denn das JA Gottes ist an keine Tageszeit gebunden.

 

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