Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wie erziehe ich richtig?" - eine wichtige Frage. Doch wenn Eltern  mich das fragen, tu ich mich etwas schwer. Als katholischer Pfarrer habe ich leider keine Kinder. Und so möchte ich auch keine wohlfeilen Ratschläge geben für eine richtige Erziehung.
Seit über 40 Jahren bin ich Seelsorger - in der Kirchengemeinde, in der Schule, am Radio. In all den Jahren bin ich vielen Menschen begegnet. Ich habe viele Kinder getauft, habe sie dann als Jugendliche erlebt, nicht selten auch als Erwachsene. Drei Erfahrungen und Überlegungen aus dieser langen Zeit möchte ich an Sie weitergeben. 
(1) Jeder Mensch - auch das kleinste Kind - ist eine einmalige, unverwechselbare Persönlichkeit. Deshalb halte ich für das Wichtigste im Umgang mit Kindern und jungen Leuten: den Respekt vor ihnen.
(2) Ich habe von Kindern gelernt. Jawohl. Ich denke an Lucy. Sie war noch nicht in der Schule, konnte einen aber ein „Loch in den Bauch fragen" - wie man so schön sagt. Hellwach und neugierig hat sie sich mit fast keiner Antwort zufrieden gegeben. Immer hat sie nachgefragt, wollte hinter die Dinge schauen, einer Sache auf den Grund gehen. Jener kluge Mensch hat Recht, wenn er feststellt: „Die entscheidenden Fragen stellen nicht die Philosophen, sondern die Kinder." Deshalb spreche ich nicht so gerne von „Erziehung", sondern lieber von „Wegbegleitung". Und den Weg von Kindern und Jugendlichen mitzugehen - das verlangt uns Erwachsenen einiges ab.(3) Suche ich auch das Christliche bei dieser „Wegbegleitung" - dann kann es nur um einen freien, liebevollen und fröhlichen Glauben gehen. Da schaue ich auf Jesus, auf seine innige Beziehung zu seinem Gott und Vater und auf sein unerschütterliches Gottvertrauen. Gott geht mit mir durch dick und dünn, er steht zu mir, was auch immer passiert.
Was finde ich noch bei Jesus? Die Liebe ist das einzige, was mich menschlich weiter bringt. Auch das hat Jesus vorgelebt. Toleranz lerne ich von ihm: Ich darf anders sein als andere. Und: Vergebung. Wenn Eltern den Kindern gegenüber Fehler gemacht haben oder die Kinder den Eltern gegenüber - wer dann vergeben kann, der befreit den anderen von einer Last und vielleicht auch sich selbst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13875
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