Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Zwei Eigenschaften schützen im Leben vor allem Übel. Haushalten und Aushalten." Oh wie wahr, diese alte deutsche Lebensweisheit. Gut zu haushalten, also nicht mehr ausgeben als man hat, keine Schulden aufzuhäufen, wenn auf der Habenseite nichts oder nur wenig rein kommt. Das gilt im Großen wie im Kleinen. In familiären Haushalten, wie auch in Staatshaushalten. Ob die Politiker, die die Schuldenberge in den Südländern Europas - aber auch bei uns - dermaßen aufgehäuft haben, mit ihrem eigenen Geld auch so umgegangen sind? Ob ihre privaten Haushalte auch so verschuldet sind, dass ihre Kinder später einmal dafür bezahlen müssen? Haushalten und Aushalten. Länderübergreifend waren Generationen am Werk, die es nicht ausgehalten haben zu sparen, sich zu beschränken, sich zu beherrschen. Aber dieser Wechsel von Geben und Nehmen, von Sparen und Ausgeben, von Festhalten und Loslassen gehört zum Leben. Und dazu muss man auch immer wieder aushalten können. In materiellen Dingen, aber auch in seelischen. Auf Dinge, die man haben möchte, verzichten können. Oder Dinge, die einem schwer fallen oder weh tun nicht weg haben wollen, vermeiden oder verdrängen. Sondern aushalten. Manchmal ist das geradezu notwendig oder heilsam.

Eine Geschichte von Axel Hacke passt genau zu diesem Thema. Sie hat mich sehr beeindruckt. Er schreibt:

„ Ich erinnere mich an die Zeiten, in der ich sehr lange Haare hatte, ungefähr bis zur Gürtellinie... und ungefähr wie das Gegenteil eines Sohnes aussah, den sich mein Vater wünschte... Aber in jenen Jahren verschaffte er mir immer wieder Jobs um in den Ferien etwas Geld zu verdienen. Dann ging ich mittags mit ihm bisweilen ins Casino der Industrie- und Handelkammer essen und saß zwischen lauter Geschäftsführern in Anzug und Krawatte. Es muss ihm sehr unangenehm gewesen sein, dass sein Sohn aussah wie ein „Revoluzzer", aber er ließ nie auch nur eine Sekunde einen Zweifel daran, dass ich sein Sohn sei und dass er, (was er so nie, nie, nie gesagt hätte) mich liebte. Er hielt es aus, wie ich war und wie ich aussah und dass ich ihn verachtete, er hielt es einfach aus. Und es war großartig, dass er es aushielt. Denn das ist, was Eltern manchmal einfach können müssen und worin sich ihre Liebe vielleicht in schwierigen Zeiten am allermeisten ausdrückt: die Dinge auszuhalten."

 Quelle: Für jeden neuen Tag - Gedanken Geschichten Gebete. Heft 41. AMD Berlin 2012. S. 22

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13801
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