Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wir Deutschen sind Weltmeister im Aussperren!“ Das hat Christian Pfeiffer in der vorigen Woche gesagt. Es ging um den Amoklauf eines ehemaligen Schülers aus Emsdetten in seiner früheren Schule. Christian Pfeiffer ist Direktor des kriminologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen. Er untersucht vor allem die Ursachen von Kriminalität bei Jugendlichen. Und das ist eine seiner Antworten: „Wir Deutschen sind Weltmeister im Aussperren!“
Kinder werden ausgesperrt, wenn sie in der Schule versagen. Sie werden missachtet, bestenfalls bemitleidet. Sie bleiben sitzen, kommen in die Sonderschule. Gehören einfach nicht mehr dazu. Manche, zum Glück wenige, sind darüber am Ende so verzweifelt und frustriert, dass sie durchdrehen. Wie Sebastian in Emsdetten.
Nicht nur Schulversager machen übrigens solche Erfahrungen. Besonders hochbegabte Schüler haben oft ein ähnliches Problem: sie werden als Streber verspottet, keiner will mit ihnen zu tun haben, aus Langeweile oder aus Trotz stören sie den Unterricht, irgendwie sind sie lästig und nicht gern gesehen. Ausgesperrt. Wer anders ist als die meisten, kann nicht dazu gehören.
Noch immer gilt Deutschland als ein vom Christentum geprägtes Land. Und eigentlich haben wir Christen es doch anders gelernt. Jesus hat erzählt, dass in der Welt, die Gott will, alle einen Platz haben: die Armen und die Reichen, die Schwachen und die Starken, die Einheimischen und die Fremden. Sie alle sitzen am selben Tisch. Dann muss keiner sich mit Gewalt seinen Platz erkämpfen. Dann braucht auch keiner vor Wut alles kurz und klein zu schlagen und wild um sich zu schießen, weil er nicht dazu gehört. Mann muss auch nicht genauso sein wie alle anderen, damit man dazu gehört. Wie langweilig wäre die Welt, wenn alle irgendwie gleich wären.
Wie man das erreichen kann? Natürlich, umdenken ist wichtig. Sich bewusst vornehmen, die Stärken des anderen zu sehen, nicht zuerst seine Schwächen. Und die dann loben. Schüler, die nicht gut deutsch sprechen können bestimmt gut malen, oder Musik machen, oder im Sport ihre Mannschaft ganz nach vorn bringen. Wenn sie dafür gelobt werden – dann geht es vielleicht auch in Mathe besser und in Englisch und Deutsch. Denn dann müssen sie sich nicht immerzu wehren, weil sie sich ausgesperrt fühlen. Und für die Schulen müsste man vielleicht eine neue Art von Ranking erfinden: nicht bloß die sind die Besten, die die Schüler mit den besten Noten hervorbringen – sondern die, in denen alle mitkommen. Und alle dazu gehören.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=138
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