Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ruf mich an, wenn du mich brauchst, sagt sie, winkt und fährt davon.
Ich gehe zurück ins Haus und bin glücklich über diesen Satz. Wie schön, einen Menschen zu haben, der zu mir sagt: ruf mich an.
Ich bin vorsichtig mit dem Wort Freundin. Aber für diese Frau stimmt das Wort. Wir sind Freundinnen. Dabei sehen wir uns nicht oft. Jede von uns lebt ihr Leben, hat ihren Beruf, ihre Familie. Wir haben verschiedene Hobbys und nicht viele gemeinsame Bekannte.
Ab und zu treffen wir uns. Dann sind wir sofort bei dem, was uns wichtig ist. Wir brauchen nicht lange, um anzuknüpfen. Da ist etwas, was uns zusammenhält. Was ist es, das uns verbindet?
Wenn wir uns wieder so zusammengeredet haben, dann sagt sie plötzlich: oh schon so spät, steht auf und geht ohne lange zu zögern. Beim Wegfahren dann: Ruf mich an, wenn du mich brauchst. Wie gut das tut, so jemanden zu haben.
Anrufen, wenn ich Hilfe brauche. Anrufen, wenn ich in Sorge bin oder Angst habe, das ist ein Angebot, das auch in den Gebeten der Bibel steckt. Rufe mich an, steht da. Gott sagt das, wie ein Freund und Begleiter. Da höre ich heraus: der will sich Zeit nehmen, dem sind meine Sorgen nicht zu viel. Ich gehe ihm nicht auf die Nerven, wenn ich immer das Gleiche bitte. Besonders in den Psalmen finde ich das:
Ruf mich an.
Allen, die mich anrufen, bin ich nahe, verspricht Gott, die mich anrufen, reden nicht an die Wand.
Wer den Namen Gottes anruft, dem hilft er, den rettet er aus seiner Verzweiflung.
Der Psalmbeter hat natürlich nicht ans Telefonieren gedacht. Anrufen - das war damals für die Menschen eine Form, wie sie mit Gott Verbindung aufnehmen konnten. So wie sie ihn loben konnten, ihm danken - so konnten sie ihn auch anrufen. Und sie haben sich darauf verlassen, dass da einer oder eine ist, die hört und Vertrauen haben, dass sie Gehör finden und verstanden werden.
Gott anrufen - das kann ich auch heute. Nicht mit dem Telefon, wie ich meine Freundin anrufe. Ich verstehe das als ein kurzes Aufschauen, einen Hilferuf mitten aus dem Alltag. Ganz kurz, aber sehr wirksam:
Gib mir Kraft
Schenk mir Geduld
Lass mich gut ankommen
Ich bin froh, dass ich ihn anrufen kann, wenn ich ihn brauche - wie meine Freundin.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13777
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