Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es gibt Orte, an denen spüre ich besonders deutlich: So ist das Leben.
So ein Ort ist für mich der Bahnhof. Ich sehe die Menschen, die unterwegs sind - und was sie tun zeigt mir, wie es auch sonst im Leben zugeht.
Aufgefallen ist mir das, als ich vor zwei Wochen nach Basel unterwegs war. Ich habe auf Gleis zwei in Karlruhe gestanden und auf den ICE gewartet. Der Bahnsteig war schon ziemlich voll.  Da ändert sich plötzlich der Text auf der Anzeigetafel. Der ICE hat 15 Minuten Verspätung. Auch das noch. Ich habe schon angefangen, mich zu ärgern, da ist mir eingefallen: was du nicht ändern kannst, das musst du annehmen. Ärgern hilft nicht. Das sagt sich so leicht. Aber wenn man es wirklich schafft, dann geht es einem besser.
Ich hatte Zeit, die Leute zu betrachten. Einige waren mit großem Gepäck unterwegs Ich habe mir vorgestellt, dass sie beim Ein- und Aussteigen Mühe haben mit den vielen Koffern und Taschen.
Auch im richtigen Leben gibt es ja Menschen, die plagen sich ab mit dem, was sie zu schleppen haben. Viel zu viel Gewicht, oder Menschen, für die sie sorgen und die Pflege übernommen haben. Das kann auch eine Krankheit sein, die man vielleicht von außen gar nicht sieht, die aber runterzieht wie ein Stein im Lebensgepäck.
Gott sei Dank gibt es immer wieder Menschen, die tragen helfen. Mit anpacken wie ein Gepäckträger. So kann ein mühsamer Wegabschnitt geschafft, eine belastende Beziehung durchgestandenwerden. Von Gott heißt es, dass er selbst mit anpackt, die Lasten zu tragen, die er auflegt. So gesehen ist Gott wie ein Gepäckträger, der trägt und mit trägt, was wir alleine nicht schaffen.
Und noch etwas ist im Bahnhof wie im Leben:
Wenn es nicht weiter geht wie geplant, muss man Pause machen. Zwangsweise. Aber die kann ich nutzen. Für einen Anruf oder um einen Einkaufszettel zu schreiben oder für eine Denkpause. Dabei kann ich entdecken, dass auch Verzögerungen etwas Gutes an sich haben. Pausen sind nicht einfach verlorene Zeit. In den Pausen geschieht oft ganz Wichtiges.
Ich bin dann noch schnell eine Zeitschrift kaufen gegangen. Als ich die Treppe zu Gleis 2 hinaufsteige fährt schon der Zug ein. Jetzt muss ich doch tatsächlich aufpassen, dass ich ihn nicht verpasse. Auch das wäre wie im richtigen Leben: Man wartet lange auf etwas und dann verpasst man es beinahe. Man hat ganz viel Zeit und kommt dann doch noch zu spät.
Aufpassen muss man - hier auf dem Bahnhof und im richtigen Leben erst recht.

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