Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Was die NS-Zeit oder die DDR angeht, sind viele Schüler ahnungslos. Das hat eine Studie über das Geschichtswissen deutscher Jugendlicher herausgefunden. So stuft nur jeder zweite Neunt- und Zehntklässler das Nazi-Regime als Diktatur ein, ein Drittel ist der Meinung, in der DDR habe es freie Wahlen gegeben und - für mich am erschreckendsten - 60 Prozent wissen nicht, dass unser wiedervereinigtes Deutschland eine Demokratie ist. Dabei gibt es doch genug Politik- und Geschichtsunterricht in unseren Schulen - woran also hapert es?
„Gut, dass der Hitler gestorben ist", hat meine Tochter neulich zu mir gesagt. „Damit hatte das Unglück in Deutschland ein Ende!", hat sie wohl gemeint. Ich fand die Aussage bezeichnend. Denn sie zeigt, dass es beim Geschichtswissen nicht nur auf Fakten ankommt, sondern vor allem darauf, Zusammenhänge zu erkennen. Und deshalb habe ich Lena erklärt, dass nicht Hitler allein Schuld war, dass Deutschland damals ein Unrechtsstaat war, dass sehr viele Menschen ihn damals für ihre Rettung gehalten und ihn deshalb gewählt haben. Und dass es Tausende gab, die seine Ideen begeistert umgesetzt haben und Hunderttausende, die weggeschaut haben oder mitgemacht. Ich habe Lena erklärt, dass es auch heute in vielen Ländern der Welt Diktatoren gibt, die dort schreckliche Verbrechen begehen. Und dass man auch bei uns in Europa aufpassen muss, dass so etwas nie wieder passiert.
Die heutigen Schüler seien „doof", hat eine große Tageszeitung die Ergebnisse der Studie wiedergegeben. Ich glaube das nicht. Aber ich denke, dass die Ergebnisse zeigen, dass die Frage, was wir aus der Geschichte für unsere Gegenwart lernen können, bei uns nicht mehr so im Vordergrund steht. Das war früher anders, besonders in den Zeiten der Bibel.
„Gedenkt der vergangenen Zeiten und habt acht auf die Jahre von Generation zu Generation" (5. Mose 32,7), solche und ähnliche Mahnungen sind häufig in der Bibel zu lesen. Ich glaube, sie zu beachten, täte auch uns heute gut.
Denn dann könnten wir den Schülern vielleicht besser vermitteln, was Demokratie bedeutet, welch ein Schatz es ist, dass bei uns alle Macht vom Volk ausgeht und wie das von Jugendlichen konkret erfahren und konkret mitgestaltet werden kann. Ich finde: Ein solches Wissen wäre gerade heute bitter nötig. Denn immer mehr junge Menschen sind politikverdrossen, gehen nicht mehr wählen oder wenden sich Protestparteien zu!
„Gedenkt der vergangenen Zeiten", mahnt die Bibel. - Das ist die Grundlage, von der aus sich die Gegenwart gestalten und verändern lässt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13711
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