Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Einen ganzen Nachmittag habe ich neulich mit einer Schulfreundin getratscht. Jetzt bin ich wieder voll informiert, was sich alles in meiner Heimatstadt getan hat. Schön war's. Klatsch und Tratsch sind halt gesund für die Seele. Manchmal...
Jetzt habe ich aber über einen Abizeitungs-Skandal aus unserer Gegend gelesen. Da konnte man für die Rubrik „Jeder über jeden" Bemerkungen über Mitschüler einreichen. Was dann abgedruckt wurde, war allerdings nicht gesund für die Seele mancher Betroffenen. Einige kamen gut weg, manche wurden aber auch beschimpft: als hinterhältig, unzuverlässig, hässlich oder zickig, als Streber, Schleimer, Mauerblümchen, Riesenbabys oder Notenjunkies. Ganz schön verletzend!
Klatsch und Tratsch tun eben nicht nur gut - sie können auch gefährlich sein; das wussten die Menschen schon vor Abi-Zeitungen und Facebook. „Tod und Leben liegt in der Gewalt der Zunge", heißt es in der Bibel (Sprüche 18,21). Und auch wenn böse Worte zum Glück meist ohne tödliche Folgen bleiben, gefährliche Waffen sind sie alle Mal. Und das umso mehr, wenn sie schriftlich festgehalten werden.
Was also tun? Ganz auf Tratsch und Klatsch verzichten? Das wäre ungesund und sogar unmenschlich. Denn der Mensch ist nun mal an anderen Menschen interessiert. Wo aber ist die Grenze zwischen Tratsch und übler Nachrede? Das weiß nicht mal der Duden genau. Er bezeichnet Tratsch einmal als Plauderei über Andere und dann als gehässiges Gerede hinter jemandes Rücken. Wahrscheinlich liegt genau da die Grenze zwischen Tratsch und übler Nachrede. Wenn ich von einem Bekannten erzähle, der auf einer Singlekreuzfahrt seine neue Freundin kennen gelernt hat, dann ist das eine Neuigkeit, Tratsch. Da kann man Anteil dran nehmen. Aber wenn ich mich darüber auslassen würde, ob die neue Freundin einen dicken Po hat oder eine hässliche Nase oder wenn ich über ihre bisherigen Männerbeziehungen herziehe, dann ist das boshaftes Geschwätz und üble Nachrede.
Ich denke: wir sollten unser menschlich-natürliches Mitteilungsbedürfnis immer wieder überprüfen: Ist das noch freundlich-neugierige Anteilnahme oder schon böses Gerede? Damit tun wir nicht nur etwas für ein gutes Miteinander, damit kommen wir sogar Gott ein bisschen näher. Ein Psalm aus der Bibel spricht da klare Worte: „Wer darf sich Gott nähern? Jeder, der andere gerecht behandelt, der ehrlich ist, der seinen Mitmenschen kein Unrecht zufügt, der andere nicht verleumdet oder bloßstellt." (Psalm 15,1-3).

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