Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Geld oder Leben - diesmal hat kein Räuber mit Pistole so gefragt, sondern das Meinungsforschungsinstitut Emnid. „Wären Sie bereit, für 1 Mio € 1 Jahr früher zu sterben, lautete die Frage an 1000 Personen. Das Ergebnis: jeder 5. in Deutschland würde diesem Deal zustimmen, in Baden-Württemberg würde sogar jeder 4. das Geld nehmen, das ist der Spitzenplatz in Deutschland. Je jünger, desto mehr Zustimmung, mehr Männer sagen ja als Frauen. Und, für mich das Erstaunlichste: Reiche Menschen sind eher bereit für Geld ein Lebensjahr zu opfern als arme. Von Personen mit weniger als 2500€ Monatseinkommen stimmten nur 15% zu, von Menschen, die über 2500€ im Monat verdienen waren es 22%.
Mich macht dieses Umfrageergebnis nachdenklich. Es regt mich an, über das eigene Verhältnis zum Geld nachzudenken. Und zwar da, wo es die Summe übersteigt, die ich zum Leben brauche. Was bin ich bereit, für Geld zu opfern? Ehrlichkeit, Freunde, Zeit, - wie viel Zeit wende ich auf, um überall möglichst viel rauszuholen, von der Steuer bis zu den verschiedenen Rabattangeboten und Punktekarten? Da vergeht kostbare Lebenszeit. Um nicht missverstanden zu werden: all das hat Sinn und ist notwendig, wenn es um den Lebensunterhalt geht. Aber mich macht die Tatsache so nachdenklich, dass die Reicheren häufiger das Geld vorziehen gegenüber dem Leben.
Qualität vor Quantität sagt sich vielleicht mancher: lieber kurz und gut gelebt als lange und schlecht. Aber unter uns leben doch viele schlecht und kurz. Arme sterben früher, das belegen Zahlen. Auch deshalb hat dieses Umfrageergebnis für mich etwas Empörendes. Die einen plagen sich und kommen nicht weiter - ihnen ist ihr Leben kostbar, die andern sind bereit, ihr Leben zu verschleudern. Das passt nicht zusammen.
Ich finde es erschreckend, wenn Geld zu einem eigenen, quasi selbstständigen Wert wird. Es ist doch eigentlich nur Mittel, um sich und andern Notwendiges und auch Schönes kaufen zu können, um Leistung bezahlen zu können, die ich brauche oder möchte. Geld hat dem Leben zu dienen.
Früher hat man von Gier gesprochen, wenn jemand nicht genug kriegen konnte. Besessen war vom Streben nach mehr. Und man wusste, dass ein gieriger Mensch sich schließlich selbst zerstört. Wenn Geld zu einer eigenen Macht wird, bedroht es das Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13585
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