Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein Haus sollte man eigentlich zweimal bauen: einmal zur Probe, dann schaut man sich an, was man alles falsch gemacht hat, und dann baut man es ohne Fehler noch mal. Das ist meine Erfahrung, nachdem unser Haus fertig geworden ist. Meine Frau und ich haben es zwar sorgfältig geplant, aber nachdem wir jetzt drin wohnen, würden wir doch ein paar Sachen anders machen. Aber die Dinge lassen sich leider nicht mehr ändern.
Ich denke, solche Fehler, die bleiben und die sich nicht mehr korrigieren lassen, die gibt es nicht nur beim Hausbau, sondern auch im Leben. Da gibt es Kleinigkeiten - ich nenne sie mal die vergessenen Steckdosen: Konflikte zum Beispiel, von denen man sich wünscht dass man sich anders verhalten hätte. Aber es gibt auch größere Fehler. Beim Hausbau vielleicht der vergessene Außenwasserhahn, im Leben der falsch gewählte Beruf oder die verpasste Aufstiegschance.
Jesus hat das Leben auch einmal mit einem Hausbau verglichen (Matthäus 7,24-27). Aber ihm ging es dabei gar nicht um das Haus selbst, sondern um das Fundament. Wichtig war ihm nicht die Farbe der Kacheln oder die Größe der Fenster, sondern dass die Hütte auf festem Grund steht. Wie er das gemeint hat?  Ich denke, die Maßstäbe, nach denen man sich richtet, die Art und Weise wie man mit sich selbst und anderen umgeht, das waren für ihn die grundlegenden Dinge.
Wenn ich auf das richtige Fundament achte, ist es vielleicht gar nicht mehr so wichtig, ob das, was ich darauf baue, genauso aussieht wie ich mir das gewünscht habe. Es kommt vielleicht gar nicht mehr so sehr darauf an, ob ich den richtigen Beruf habe, sondern darauf, dass ich meinem Beruf das richtige tue. Dann stellt sich vielleicht sogar heraus, dass mancher vermeintliche Lebensfehler gar keiner war.
Ich stelle mir einen tollen Musiker vor, der sich wünscht, in einem berühmten Symphonieorchester zu spielen. Er hat auch das Zeug dazu, aber aus irgendeinem Grund bewirbt er sich nicht. Stattdessen wird er Musiklehrer an einer Schule. Er könnte auf die verpasste Chance blicken und ihr nachtrauern. Aber das tut er nicht. Er möchte jetzt ein guter Musiklehrer sein. Er erkennt wie sinnvoll diese Aufgabe ist und entdeckt seine besondere Begabung, Schülern Freude an der Musik zu vermitteln. Und als er pensioniert wird, da schaut er vielleicht auf sein Lebenshaus und sagt: „Da oben rechts hätte eigentlich ein viel größeres Fenster rein gehört. Aber inzwischen gefällt es mir so, und ich würde es genauso wieder bauen".

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13422
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