Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Es war eine Katastrophe. Ich - meine teuerste Gitarre in der Hand -  trete auf einen Läufer im Wohnzimmer. Der Läufer rutscht auf dem glatten Parkett weg, und ich knalle samt Instrument auf den Boden. Mir ist nichts passiert, aber die Decke meiner Gitarre war völlig versplittert.
Katastrophen gibt es immer wieder im Leben. Und dabei gehen nicht nur geliebte Dinge zu Bruch. Es ist oft noch schlimmer, wenn Beziehungen kaputt gehen, Träume platzen oder Herzen brechen; wenn ich geknickt bin oder einen geliebten Menschen verliere.
Von so einer Katastrophe erzählt auch die Bibel: Ein junger Mann wird von seinen Brüdern an Sklavenhändler verkauft. Die bringen ihn in ein fernes Land, wo er als Diener im Haus eines reichen Mannes arbeiten muss. Dort wird er zu Unrecht beschuldigt und landet schließlich im Knast. Sein ganzes bisheriges Leben ist im Eimer: Er verliert seine Heimat, seine Familie, und die Zukunft, die für den Lieblingssohn eines wohlhabenden Vaters so rosig aussah. - Eine wirkliche Katastrophe.
Aber die Geschichte geht weiter. Josef, so heißt der junge Mann, kann Träume deuten. Diese Fähigkeit bringt ihn aus dem Gefängnis heraus und verhilft ihm zu einem sagenhaften Aufstieg. Am Ende wird er zum wichtigsten Mann im ganzen Land gleich nach dem Pharao, dem König von Ägypten. In dieser Position trifft Josef dann auch seine Familie wieder und kann sie vor einer Hungersnot bewahren. Als er seinen Brüdern, die ihn damals verkauft hatten, gegenüber steht, sagt er: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen" (1. Mose 50,20).
Gott kann aus Bösem Neues und Gutes entstehen lassen. Ich denke, so ist das tatsächlich mit manchen Katastrophen im Leben. Zunächst ist es unfassbar schlimm, aber dann öffnen sich Türen, die man vorher nicht gesehen hat. Und manchmal entsteht aus der Katastrophe eine Chance für etwas Neues; für etwas, das es ohne die Katastrophe nie gegeben hätte.
Meine Gitarre habe ich übrigens einem Gitarrenbauer geschickt. Er hat ihr eine neue Decke aus einem andern Holz verpasst. Das war teuer und ich musste lange warten. Aber als ich die Gitarre zurückbekommen habe, habe ich gestaunt: Sie sieht jetzt schöner aus und klingt sogar viel besser als mit der alten Decke. - Dass die Sache so gut ausgeht, hätte ich damals als mein Instrument kaputt auf dem Boden lag, nicht gedacht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13420
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