Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Arbeit ist schlecht, Freizeit ist gut. Finde ich jedenfalls meistens. In meinem Kopf hat sich das so festgesetzt. Aber so einleuchtend diese Gleichung - Freizeit gut, Arbeit schlecht - auf den ersten Blick ist: Eigentlich ist sie eben doch falsch, wenn man ein Bisschen darüber nachdenkt.
Wenn es so wäre, dann müssten Menschen ohne Arbeit besonders glücklich sein. Das sind sie aber nicht, und zwar nicht bloß, weil sie zu wenig Geld zum Leben haben. Wer hat nicht schon erlebt, dass ein Urlaub einfach nur furchtbar war und dass man froh war, als der Alltag wieder losging. Und: Arbeit kann ja auch richtig Spaß machen. Wenn man eine Aufgabe gut geschafft hat, ist man stolz und fühlt sich gut.
Die Gleichung - Freizeit gut, Arbeit schlecht - geht also nicht auf. Und ganz irreführend finde ich, was die Amerikaner machen: Die sprechen von work-life-balance, von dem Gleichgewicht zwischen Arbeit und Leben, auf das man achten soll. Aber ist Arbeit denn kein Leben? Lebe ich nur in der Freizeit, und wenn ich arbeite bin ich „tot"? Dann müsste man fragen: Arbeitest du noch oder lebst du schon?
Nein, die Arbeit gehört zum Leben dazu. Auch die Bibel ist dieser Meinung. Da heißt es: Gott setzte, den Menschen, nachdem er ihn geschaffen hatte, in den Garten Eden - „damit er ihn bebaute und bewahrte" (1. Mose 2,15). Auch im Garten Eden wurde gearbeitet. Arbeit kann also auch etwas „paradiesisches" haben. Erst durch Arbeit wir das menschliche Leben sinnvoll.
Viel besser als die Einteilung in Freizeit und Arbeitszeit gefällt mir deshalb eine andere Unterscheidung: Statt die Zeit in Arbeit und Freizeit einzuteilen, sollte man besser Zeit, die einen stärkt unterscheiden von Zeit, die einen schwächt. Das leuchtet mir ein, und das kann ich auch nachvollziehen. Ich bin Religionslehrer, und meine Erfahrung ist: Ein Tag in der Schule ist nie nur schlecht oder nur gut, sondern da gibt es Begegnungen und Situationen, die mich freuen, mir gut tun und mir Kraft geben. Und andere Begegnungen und Situation rauben mir Energie und ziehen mich nach unten. Und genauso gibt es in meiner Freizeit, in der Familie, beim ehrenamtlichen Engagement oder bei meinen Hobbys auch beides.
Ich finde es lohnenswert, einmal die Dinge zu überprüfen, mit denen ich meine Zeit verbringe: Was davon tut mir gut, und was ist eher schlecht für mich? Natürlich gibt es Sachen, die einfach getan werden müssen, egal ob sie mich stärken oder schwächen. Aber manches kann ich mir auch aussuchen, und das sollte ich dann auch tun.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13419
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