Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Julius muss sich vor dem Time-Management-Pädagogen seiner Schule verantworten. So beginnt ein Film, den ich vor ein paar Tagen gesehen habe. Er spielt in der Zukunft. Julius muss sich rechtfertigen, weil er das Lern- und Unterhaltungsprogramm seiner Schule geschwänzt hat. Zur Schule muss er jeden Tag, ohne Ausnahme. Er soll schließlich eines Tages zu den Leistungsträgern seiner Gesellschaft gehören.
Aber jetzt ist Lilli, seine Freundin, in andere Kurse eingeteilt worden als er. Nun haben die beiden keine Möglichkeit mehr, sich zu sehen. Deshalb hat Julius die Schule geschwänzt. Aber unerlaubtes Fehlen, das wird Konsequenzen haben. Womöglich werden sie ihn rauswerfen aus dem Eliteprogramm.
Julius fällt ein, dass es früher einen freien Tag in der Woche gab. Und er erinnert sich an seinen Großvater, der da vielleicht mehr weiß. Der Großvater gehört zur Gemeinschaft der Christen und geht sonntags immer zur Kirche. Julius und Lilli beschließen, den Großvater zu besuchen. Vielleicht kann er ihnen eine Entschuldigung besorgen für ihr Schuleschwänzen.
„Auf der Suche nach dem verlorenen Sonntag" heißt der Film.[1] Man kann ihn ausleihen bei der Ökumenischen Medienzentrale in Stuttgart. Am besten hat mir der Opa gefallen. Mit Cordhose und Strickjacke, langen, lockigen weißen Haaren und einer runden Nickelbrille sieht er ein bisschen aus wie ein Althippie. Er nimmt Julius und Lilli mit in den Gottesdienst, es ist nämlich gerade Sonntag. Dort fasziniert die beiden die Musik, die Gesänge und die ruhige Atmosphäre. Als die Schulsozialarbeiterin die Schulschwänzer aufstöbert, nimmt der Großvater sie in Schutz. Sie seien öfter da, sagt er. Und das sei ja für Christen nicht verboten. Julius und Lilli gehen danach in den Kirchgarten und kommen auf den Sinn des Lebens zu sprechen. Da muss es doch mehr geben als Lernen und Vorwärtskommen, finden sie.
An dieser Stelle des Films habe ich gedacht: Genau - das ist eigentlich der Sinn des Sonntags. Besser könnte ich es nicht sagen. Man kann spüren, dass es mehr gibt im Leben als Vorwärtskommen und Immer-Mehr-Erreichen. Und wenn man das vergessen hat, dann kann man sich daran erinnern lassen. Im Gottesdienst zum Beispiel. Oder wenn man mit Menschen zusammen ist, die man gern hat.
In dem Film übrigens lässt sich Julius später in seiner Schule nicht wieder einspannen. Er verzichtet auf die Elite-Ausbildung. Er will eine Schule und ein Leben, das ihm Zeit lässt für das, was ihm wichtig ist. „Auf der Suche nach dem verlorenen Sonntag" ist ein Film für Kinder. Aber mich hat er sehr angeregt. Vor allem der Opa.


[1] Auf der Suche nach dem verlorenen Sonntag, Kurzspielfilm von Uwe Nagel, Ev. Medienhaus GmbH Stuttgart, 2012, FSK: Lehrmittelfreigabe

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13334
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