Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich hatte schon wieder Geburtstag. Je älter man wird, desto schneller geht das: Schon wieder ist ein Jahr vorbei! Die Veränderungen gehen auch immer schneller, scheint mir. Die Haare sind grau geworden, ohne Brille wäre ich aufgeschmissen, meine Kinder sagen, ich würde nicht mehr so gut hören. Und dauernd vergesse ich was. Damit mir das nicht passiert, muss ich mir alles aufschreiben. Vielleicht kennen Sie das.
Mein alter Lehrer hat mir gratuliert. Der ist nun wirklich richtig alt. „Ach" habe ich geantwortet, „was gibt es da zu gratulieren! Ich werde alt." Ich musste das zweimal sagen, dann hat er es verstanden - und herzlich gelacht! „Na", hat er gesagt, „das wollen wir doch hoffen, dass Sie alt werden."
Ich finde es schön, hat er gesagt, dass ich nicht mehr alles selbst in die Hand nehmen und in den Griff kriegen muss. Das machen jetzt andere. Und die machen es gut. Ich bin ganz erleichtert, dass ich nicht mehr zuständig bin.
Wie er da so gelassen sein kann und so tapfer, habe ich gefragt. Tapfer muss man gar nicht sein, war seine Antwort. Ich bin kein Held, schon gar nicht im Altwerden. Vertrauen muss man haben. Gottvertrauen. Und er hat mich an einen Satz aus der Bibel erinnert, den ich zum ersten Mal für mich selber gehört habe. „Ich will euch tragen bis ihr grau werdet" (Jes 46, 4) Das hat ein Gottesmann, ein Prophet, den Menschen in Gottes Namen versprochen. Gott lässt seine Menschen nicht fallen, wenn ihre Kräfte und Fähigkeiten nachlassen. Wenn es soweit ist, dann trägt er.
Mit dieser Erinnerung hat der alte Mann mich aus meinem Jammerloch herausgeholt. Gott wird mich tragen. So, wie ich früher meine Kinder getragen habe, wenn der Weg zu steil war, wenn sie müde waren oder uns ein Hund entgegen kam. So wird Gott mich tragen, wenn ich alleine nicht mehr weiter kann. Dann wird er mir helfen, das auszuhalten, dass immer mehr nicht mehr geht. Ich glaube, hoffe? wenn man das annehmen kann, wenn man sich nicht gegen das Altwerden wehrt mit letzter Kraft: dann tut es auch nicht so weh. An dem alten Lehrer jedenfalls habe ich gesehen: Er ist froh, dass viele liebe Menschen ihn unterstützen. Ich glaube, da sieht er Gott am Werk. Und es macht ihn dankbar. Es zeigt ihm ja, dass sie ihn mögen. Und er lässt es sich gern gefallen.
So weit ist es bei mir ja nun noch lange nicht. Aber ich finde, das sind gute Aussichten. Mit denen versuche ich jetzt, fröhlich älter zu werden. Also: Nicht mehr jammern! Sondern jetzt das tun, was ich kann. Und wenn etwas nicht mehr so gut geht? Dann will ich versuchen, darüber zu lachen. Und mir gern helfen lassen.


[1] Weitere Hinweise, Tipps und Denkanstöße:   http://www.seelsorge-im-alter.de/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13333
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