Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wann wurde das letzte Mal demonstriert bei Ihnen? Und worum ging es da? Meistens kann man das ja auf den Schildern lesen, die mitgetragen werden. Mit denen und den Slogans darauf zeigen Menschen öffentlich, was ihnen persönlich wichtig ist.
Demonstrationen der besonderen Art finden heute in ganz Deutschland statt: Am Feiertag Fronleichnam ziehen katholische Christen in Prozessionen durch Städte und Dörfer. Auch sie zeigen damit öffentlich, was ihnen persönlich wichtig ist. Mitgetragen werden aber keine Schilder mit Slogans drauf. Mitgetragen wird das Abendmahlsbrot, das sonst bei der Eucharistie ausgeteilt wird. Und Segensworte werden gesprochen.
Bei normalen Demos geht es meistens um Forderungen. Gegen die Streichung von Arbeitsplätzen wird da zum Beispiel demonstriert, für mehr Kindergartenplätze, gegen den Walfang. Das ist auch wichtig und richtig so. Und trotzdem finde ich es gut, dass auf den Fronleichnams-Demonstrationen mal keine Forderung im Mittelpunkt steht. Stattdessen wird auf das Abendmahlsbrot gezeigt. Und damit auf Jesus Christus, der schon längst da ist. Seine Kraft wird ausgeteilt an die Menschen. So wie bei jedem Abendmahl.
Der Glaube, der dahinter steht, den teile ich auch als evangelischer Christ: Jesus Christus, den kann man erfahren. Es macht einen Unterschied, ob Menschen ohne Gott durchs Leben gehen müssen, oder ob Städte und Dörfer mit seiner Kraft gesegnet werden. „Wo merkt man denn bitteschön etwas von Gott?", fragen ja manche. Man könnte die Frage aber auch mal umdrehen: „Wie wäre das Leben in unseren Städten und Dörfern, wenn Gott nicht da wäre?" Das will ich mir gar nicht ausmalen.
Noch etwas finde ich gut an den Fronleichnams-Demonstrationen: Da wird der Glaube an Jesus Christus nicht nur im stillen Kämmerlein gelebt, sondern öffentlich bekannt. Und das ist wichtig. In einer vielfältigen Gesellschaft ist es entscheidend, dass Glaube nicht verschämt verschwiegen wird. Menschen sollen zeigen, woran sie persönlich glauben, - und auch, woran nicht. Wer sich auf der Straße zu Jesus Christus bekennt, macht sich auch verletzlich damit, wird vielleicht auch mal belächelt. Und beweist gerade damit Stärke.
In Stuttgart-Zuffenhausen, wo ich Pfarrer bin, geschieht die katholische Fronleichnams-Prozession seit einigen Jahren mit evangelischer Beteiligung. Und auch an der evangelischen Kirche wird Halt gemacht. Denn: Warum sollen wir Christen nicht gemeinsam demonstrieren für das, was uns wichtig ist?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13169
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