Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Glauben kann ich auch für mich alleine." Sagt mir jemand. Ganz unvermittelt kommt dieser Satz, mitten in einem Allerwelts-Gespräch. Und er klingt angriffslustig. Da schwingt eine provokante Frage mit: „Glauben kann ich auch für mich alleine. Oder brauche ich dafür die Kirche, Herr Pfarrer?"
Kann ich auch für mich alleine glauben? Ich bin da hin- und hergerissen. Einerseits orientiere ich mich ja immer auch an dem, was andere glauben. Meine Eltern haben mich geprägt, Verwandte, Freunde. In der Bibel finde ich Geschichten und Erfahrungen, die andere für mich aufgeschrieben haben. Im Fernsehen erzählen Prominente von ihrem Glauben. Ich bin da nie völlig auf mich allein gestellt. Andererseits: Natürlich kann ich mir dann selbst eine Meinung darüber bilden. Und: Bibel lesen, über Gott nachdenken, beten,- das geht auch im stillen Kämmerlein, nicht nur im Gottesdienst. Da stimme ich also zu.
Aber eigentlich ist die Frage für mich eine ganz andere. Nicht: Kann ich für mich alleine glauben? Sondern: Will ich für mich alleine glauben? Und da ist meine Antwort eindeutig: Nein. Für mich alleine glauben, - das ist mir persönlich viel zu wenig.
Mir ist es zu wenig, nur meine eigene Glaubens-Geschichte zu kennen. Ich will auch mitbekommen, wie andere Menschen glauben. Der 13jährige Konfirmand, der jetzt die Schule wechseln musste. Die alte Frau, die in der Nachbarschaft Besuche macht. Der Familienvater und Berufspendler, der über eine Stunde im Auto sitzt jeden Tag. Was erleben sie mit Gott? Was sind ihre Sehnsüchte und Träume? Was beten sie? Wenn wir uns darüber austauschen, dann gewinnt auch mein eigener Glaube an Farbe. Manches Selbstverständliche hinterfrage ich plötzlich, - und ich bekomme neue Anregungen. Und umgekehrt, für die anderen, gilt das auch.
Es gibt noch mehr Glaubens-Dinge, die in Gemeinschaft viel besser gehen: Singen zum Beispiel. Oder essen und feiern. Und manches funktioniert gar nicht erst, wenn man alleine bleibt: Füreinander beten zum Beispiel. Oder sich die Schuld vergeben lassen. Dafür braucht es immer mehrere Menschen, die miteinander glauben.
Brauche ich die Kirche für meinen Glauben? Auch dieser Teil der Frage ist nicht so wichtig, finde ich. Entscheidend ist: Ich bin Teil der Kirche. Ich gehöre zu den Menschen, die Erfahrungen machen mit Gott - und das miteinander teilen. Und wo das passiert, genau da ist und geschieht Kirche. Das will ich nicht verpassen. Und jeder ist eingeladen, mitzumachen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13168
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